Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 43. (1993) - Festschrift für Rudolf Neck zum 65. Geburtstag

STONE, Norman: The European Community and the Yugoslav Crisis

NORMAN STONE THE EUROPEAN COMMUNITY AND THE YUGOSLAV CRISIS (Essay in honour of Kurt Peball) Es gibt im zerfallenen Jugoslawien tausende Briten, die unter den schwierigsten Verhältnissen ,humanitäre Hilfe* leisten. Zu einem Viertel kommt diese Hilfe den angreifenden Serben zugute, nicht den ange­griffenen Bosniern. Den letzten (Ende Juni 1995) Nachrichten gemäß soll jeder UNO-Transport, dessen Fahrer nach Srebrenica fahren will, um Hilfe zu leisten, $ 700,- an die serbischen Wachen zahlen. Viele solcher Transporte sind sogar in die Hände der Serben gefallen. Briti­sche Truppen werden durch besoffene Haudegen gedemütigt, und jetzt sind sie sogar zu Geiseln geworden: Wenn die NATO tatsächlich ein- greifen würde, wie es nach Präsident Clintons Drohung nicht auszu­schließen war, um Frieden herzustellen, so würden viele britische Sol­daten so gut wie wehrlos in eine Falle laufen. Es wird einen nicht wun­dern, wenn britische Minister immer wieder betonen, sie wollen nicht eingreifen, wollen sogar, daß sich die Muslims (die sie selbst ernähren müssen) bewaffnen. Britische Truppen tragen also erheblich dazu bei, daß die schon zwei Jahre währende Jugoslawien-Krise kein logisches Ende findet, wenn nicht mit der Schaffung ,Groß-Serbiens*. Es gibt in der britischen Armee ein altes Lied: ,We’re here because we’re here be­cause we’re here because we’re here*. Die britische Nachkriegsge­schichte erfährt hiermit eine erstklassige Blamage. Man darf sie die schlimmste seil Suez 1956 nennen. Woher erklärt man dies? Weswegen bekamen die Briten gerade im (relativ) entfernten Jugo­slawien so viel Verantwortung, während in der EG die die Kon­sequenzen der Krise zu zahlen habenden Deutschen sich meistens klein machten? Wie gut informiert waren die Briten über die Tatsachen am Balkan? Wir wollen mit dem Geständnis anfangen, daß es kompliziert ist. Die südslawische Frage ist eine der typisch spät-habsburgischen Fragen, womit man immer besessener wird, und immer kompliziertere Lösungen vorschlägt, die aber immer weniger ergiebig werden, es sei denn, man habe schon von vornherein das, was die Amerikaner ,the big picture* nennen. Selbst der deutsche bevollmächtigte General in Zagreb während des Zweiten Weltkrieges, Edmund Glaise von Horstenau, mußte gestehen, daß Jugoslawien* das einzig Sinnvollste bei den Pariser Vororteverträgen 1919-20 gewesen wäre. Als alter österreichischer Ge­neral kannte er die Situation am Balkan auswendig (war doch sein er­stes Werk eine Schilderung der Kämpfe in Bosnien 1878!), und als Ken­248

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