Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 43. (1993) - Festschrift für Rudolf Neck zum 65. Geburtstag
GÖBL, Michael: Vom Judenplatz zur Wallnerstraße. Über die Anfänge des Allgemeinen Verwaltungsarchivs
Orte in der Wiener Innenstadt verteilt: In den eigentlichen Räumen des Allgemeinen Archivs, die zugleich als Büro für die Beamten und die Benutzer dienten und in drei Kellerlokalen im Gebäude des k.k. Min.d.Innern (= Böhmisch-Österreichische Hofkanzlei, Judenplatz 11), in drei Parterreräumen des k.k. Ministerratspräsidiums (= Palais Modena, Herrengasse 7) und in zwei Souterrainlokalen (ehemaligen Pferdeställen) des k.k. Verwaltungsgerichtshofes (Burgring 9). Die Ratlosigkeit auf die Forderung nach gemeinsamer Unterbringung war vom Baureferenten des Innenministeriums Fieger lapidar mit den Bleistiftbemerkungen „wo?“, und der weitere Wunsch nach ausreichenden „lichten und trockenen Räumen“ mit „sehr leicht gesagt“ am Rand des Antrags zum Ausdruck gebracht worden.6) Die Unterbringungsfrage war zwangsläufig mit den räumlichen Verhältnissen im Ministerium verknüpft. Das von Fischer von Erlach 1710- 1714 erbaute Palais der Böhmisch-Österreichischen Hofkanzlei, seit 1848 Sitz des Ministeriums des Innern, platzte selbst aus allen räumlichen Nähten. Konnte bis 1887 der Bürobedarf noch innerhalb des Palais befriedigt werden, mußten danach Amtsräume, in teilweise angemieteten Häusern, bezogen werden. Umfaßte der Personalstand des Ministeriums im Jahre 1883 noch 175 Beamte, so vermehrten sich die Planstellen kontinuierlich: 1891 auf 190, 1898 auf 258 und 1901 auf 290 Beamte. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert waren die Dienststellen des Ministeriums außer im Haupthaus (Wipplingerstr. 7 = Judenplatz 11) auf acht weitere Dependancen des ersten Bezirkes verteilt: Salvatorgasse 12, Hoher Markt 5, Wipplingerstr. 8 (= Altes Rathaus), Wipplingerstr. 21, Judenplatz 3, Drahtgasse 2, Marc Aurelstr. 5, und Schauflergasse 2. Zur Uösung der Raumprobleme wurden zwei Projekte für den Neubau eines Ministeriums des Innern ausgearbeitet. Das erste Projekt war auf dem Areal der Gartenbaugesellschaft am Kolowrat-Ring (heute Parkring) gegenüber des Stadtparks, das zweite auf der Liegenschaft zwischen Ballhaus- und Minoritenplatz und Ministerratspräsidium (Herrengasse 7, Palais Modena, heute Bundesmin. für Inneres), den sog. Ballhausrealitäten, zum Vorschlag gebracht worden.7) Während sich das zweite Projekt als unausführbar herausstellte8), gedieh das Bauvorhaben am Ring nahezu bis zur Baureife. Die von Emil Ritter von Förster im Jahre 1900 ausgearbeiteten Pläne wurden mehrfach umgestaltet. Der im Stil Vom Judenplatz zur Wallnerstraße. Die Anfänge des Allgemeinen Verwaltungsarchivs 6) AVA, Min.d.Iimern, Präs., 2, ZI. 5261/1909. 7) AVA, Min.d.Innern, Präs., 2, ZI. 1011/1902. 8) Für die Bauausführung hätte das Palais Mollard-Clary, Herrengasse 9,(heute Nie- derösterr. Landesmuseum) abgebrochen und die Fahnengasse Richtung Minoritenplatz verlängert werden müssen. 23