Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)
AGSTNER, Rudolf: Von der österreichisch-ungarischen Botschaft zum österreichischen Generalkonsulat Berlin. Zur Geschichte der k. u. k. bzw. österreichischen Vertretungsbehörden in der deutschen Hauptstadt 1871–1991
Rudolf Agstner Der letzte Geschäftsträger der liquidierenden k.u.k. Botschaft Berlin, Konsul Dr.Bobert Feitscher, depeschierte am 30. April 1919 an Baron Flotow. „Botschaft hat auftragsgemäß ihre Tätigkeit heute eingestellt. Amtsgebäude sind samt Inventar der Obhut der deutsch-österreichischen Gesandtschaft übergeben worden“158). Mit der Beendigung der Tätigkeit der ehemaligen k.u.k. Botschaft Berlin oblag die Liquidierung dieser Behörde nunmehr der deutsch-österreichischen Gesandtschaft. Diese depeschierte am 1. Mai 1919 „Botschaftspalais samt Kanzleigebäude und Zugehör gestern übernommen. Ministerialrat Floor als angeblicher ungar. Vertreter beansprucht Zuweisung der 4 Straßenzimmer im 1. Stock Ranzleigebäudes.“ Gesandter Hartmann bat um Weisung, wie er sich zu verhalten habe und wurde instruiert, der angeblichen ungar. Forderung keine Folge zu leisten. Im Mai 1919 bekundete die tschechoslowakische Republik Interesse an der Besiedelung ehemaliger k.u.k. Amtsräume. Österreichischerseits war beabsichtigt, dem tschechoslowakischen Gesandten Dr. Körner die ehemalige Kommerzdirektion, Molktestraße 1 anzubieten mit dem Ersuchen, in den bestehenden Kontrakt einzutreten. Am 10. Juni 1919 berichtete die deutsch-österr. Gesandtschaft, „daß der tschecho-slowaki- sche Vertreter Dr. Körner sich entschieden geweigert hat, die Räume der früheren Commerzdirektion ... zu beziehen ... und sich für die verfügbaren Räume des Kanzleigebäudes entschieden hat ... “159). Nachdem an den Räumlichkeiten in der Moltkestraße I kein Interesse eines Nachfolgestaates bestand, wurde gegen Zahlung der halben Vierteljahresmiete (1750 Mark) diese Wohnung sofort dem Vermieter übergeben160). Ungeklärt blieb weiterhin das Schicksal des Archivs der ehemaligen k.u.k. Botschaft, welches im Juni 1923 von der österr. Gesandtschaft wieder aufgegriffen wurde. Diese teilte den BKA-AA mit, „daß sich auf dem Dachboden der Gesandtschaft ungefähr 10 Kisten befinden, welche alte Akten der vormaligen k.u.k. Botschaft, welche ... bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen“ befinden und regte deren Abtransport nach Wien an. Das Haus-, Hof und Staatsarchiv vertrat die Ansicht, daß „der Abtransport der ... Kisten per Kurier via Passau ... gegenwärtig nicht verantwortet werden könnte“ und ersuchte darum, die Gesandtschaft zu beauftragen, „über die Archivreste vorläufig keine Verfügung zu treffen, dieselben gegen einen eventuellen Zugriff Unberufener zu sichern und auf die Angelegenheit zurückzukommen, wenn sich etwa 158) HHStA, AR F 6, K 53, 6 Berlin 133, Telegramm vom 30.4. 1919, f.8 159) HHStA, AR F 6, K 53, 6 Berlin 135, Bericht Z. 8314 vom 10.6. 1919, f.l 160) HHStA, AR F 6, R 53, 6 Berlin 84, Bericht d.-ö.Ges. Z.8272 vom 14. 6. 1919, f.12 310