Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)
WURM, Heidrun: Entstehung und Aufhebung des osmanischen Generalkonsulates in Wien (1726–1732). Eine Relation Heinrich von Penklers aus dem Jahre 1761
Heidrun Wurm nachdem Neapel und Sizilien 1734 an die spanischen Bourbonen gefallen waren, griff Karl von Bourbon, der von ähnlich ehrgeizigen orientpolitischen Zielen erfüllt war wie Kaiser Karl VI., als König Beider Sizilien dessen Vertragspolitik mit den Osmanen und den Barbareskenstaa- ten auf, um sie ab 1759 auch als König von Spanien fortzuführen90). Der Artikel Sechs wurde zunächst in den am 7. April 1740 geschlossenen Friedens- und Handelsvertrag zwischen Neapel und der Pforte aufgenommen, wobei ein Schahbender in Messina vorgesehen wurde91), dann in den am 3. Juni 1741 Unterzeichneten Vertrag mit der Regentschaft Tripolis92) und schließlich in den spanisch-osmanischen Friedens- und Handelsvertrag vom 14. September 1782, in dem Alicante als Sitz eines zukünftigen Schahbenders bestimmt wurde93). Die Initiative hierzu scheint jeweils von der europäischen Seite ausgegangen zu sein94). Dies trifft offensichtlich auch noch für die Neuanfänge des os- manischen Konsularwesens unter Sultan Sellm III.zu, die mit dem um 1802 an die Pforte herangetragenen Wunsch Neapels nach Bestellung eines Schahbenders verknüpft sind95). Ein Blick auf die osmanischen Staatsverträge des 19. Jahrhunderts zeigt, daß der Artikel Sechs danach, in mehr oder weniger abgewandelter Form, zur Grundlage der osmanischen Konsularabkommen mit zahlreichen europäischen und überseeischen Staaten wurde96). 90) Zur Orientpolitik Karls III. von Spanien ab 1754 s. vor allem die großartige Untersuchung von Feliciano Lepore Un Capitolo inedito di storia mediterranea. Spagna e Impero Ottomano net secolo XVIII (Firenze 1943), auf der Basis der neapolitanischen Archivquellen verfaßt. 91) Buonocore Consoli 257f. Die Bestimmung ist in Artikel Sieben enthalten. Der Text des Vertrages zuletzt abgedruckt (in französischer Übersetzung) in The consolidated treaty series (zit.CTS), ed. and ann. by Clive Parry 36 (Dobbs Ferry, N.Y., 1969) 9 ff. 92) Buonocore Consoli 257, in diesem Vertrag Art. Sechs. Italienischer Text des Vertrages in CTS 36 205 ff. 93) Vgl. die spanische Textausgabe in CTS 48 126 f (Artikel Sieben). 94) Ein Entwurf des Tribunale del Real Patrimonio von 1724 für einen Vertrag mit Tripolis belegt, daß die sizilianischen Wirtschaftspolitiker schon in österreichischer Zeit die Bestellung von Schahbendern (agenti) wünschten, vgl. Vincenzo Epifanio Sülle relazioni politiche e commerciali tra la Sicilia e la Tripolitania nella prima met‘a del secolo XVIII in Archivio storico siciliano N.S. 36. 1911/12 (1912) 435 f. Der von 1760 datierende erste Entwurf Spaniens für einen Vertrag mit den Osmanen sah Schahbender in Cadiz, Malaga, Cartagena, Alicante und Barcelona vor (Artikel Sieben), was von der Pforte jedoch nicht akzeptiert wurde, wie aus ihrem Gegenentwurf von 1761 hervorgeht, vgl. Lepore Spagna e Impero Ottomano 216, 225-37 (Texte), Einzelheiten zu den Verhandlungen 105 ff, 123. 95) Gökbilgin Art. Konsolos 839 f, mit Einzelheiten über die weitere Entwicklung des osmanischen Konsularwesens. Nach Buonocore Consoli 258,269 ff traten im Königreich Beider Sizilien schon ab 1799 angebliche Schahbender der Pforte auf. 96) Vgl. z.B. die Auswahl von Vertragstexten in Die Kapitulationen und Handelsverträge der Türkei, darin 394 Art. Acht des englisch-osmanischen Friedensvertrages vom 186