Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)
WURM, Heidrun: Entstehung und Aufhebung des osmanischen Generalkonsulates in Wien (1726–1732). Eine Relation Heinrich von Penklers aus dem Jahre 1761
Entstehung und Aufhebung des osmanischen Generalkonsulats solange Topal cOsmän Pasa noch im Amt war. Höchste Eile war geboten, denn er war schon der sechste Großwesir innerhalb der nur fünfviertel Jahre seit der Thronbesteigung Sultan Mahmüds74). Man mußte befürchten, daß auch Topal cOsmän Pasas Regierung nicht lange dauern würde, zumal er, wie bereits gesagt, als brutal und resolut bekannt war. Es wurde auch schon der 10. März als Abreisetag bestimmt. Ich sollte cÖmer Aga bis an die Grenze begleiten und darauf achten, daß er sich unterwegs nicht gar aus dem Staube machte. Der Prinz verließ sich vollständig auf mich. Die Offiziere, die dem Aga Begleitschutz geben sollten, hatte man an mich verwiesen. Je mehr cÖmer Aga über seine Lage nachdachte, um so gefährlicher erschien sie ihm. Mal weinte er, mal wurde er vor Angst fast rabiat, und dann wurde ihm klar, daß ihn der Tod erwartete. So kam er auf die Idee, sich unter dem Vorwand, Christ werden zu wollen, in ein Kloster zu flüchten75). Seine Vertrauten informierten mich jedoch über alle seine Überlegungen, und mit ihrer Hilfe gelang es mir, auf ihn einzuwirken. Sie erklärten ihm, so, als ob sie von selbst darauf gekommen wären, daß er als Diplomat vom kaiserlichen Hof seiner Regierung, wenn diese es - wie nun geschehen - verlange, jederzeit ausgeliefert werden müsse. Dies leuchtete ihm ein, er meinte jedoch zu mir, an der Grenze werde sich schon noch ein Weg für ihn finden, seinen Behörden und damit dem ihm bevorstehenden Schicksal zu entrinnen. Nach viel Mühe und Verdruß konnte ich ihn am 14. März zu seiner Abschiedsaudienz beim Prinzen Eugen geleiten. Dieser überreichte ihm ein Schreiben an den Großwesir, allerdings nur pro forma, denn das eigentliche Antwortschreiben wurde per Kurier an den Residenten geschickt. Um bestimmten Rückschlüssen der Pforte vorzubeugen, war darin so getan worden, als ob man das Schreiben des Großwesirs - das in dieser Hinsicht nämlich nicht ganz klar gewesen war - so verstanden habe, daß kein Nachfolger für cÖmer Aga bestellt werden würde. Es 74) Er war erst der dritte Großwesir Sultan Mahmüds I. Penklers Irrtum ist kennzeichnend für den gerade nach dem Sturz der ungewöhnlich stabilen Regierung Dämäd Ibrahim Pasä rapiden Wechsel in diesem Amt. 75) Die katholische Kirche gab Nichtchristen nur dann Asylschutz, wenn diese sich gleichzeitig taufen lassen wollten, Friedrich Hartl Pax et securitas. Das Asylrecht in Österreich, dargest. aus Wiener Quellen in Jahrbuch des Vereines für die Geschichte der Stadt Wien 32/53 (1977) 51. Der Islam war toleranter, doch hatte auch der im Sommer 1729 vor den Häschern Prinz Eugens zu den Osmanen geflüchtete Graf Bonneval im Herbst 1730 den Islam angenommen, um sich seiner auf Druck des Wiener Hofes vom Sultan angeordneten Ausweisung zu entziehen. Bonnevals Übertritt ins Osmanische Reich war dem kaiserlichen Hof von cÖmer Aga angezeigt worden, Benedikt Bonneval 87-89, 84. 181