Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)

HILLBRAND, Erich: † Walter Wagner 1923–1989

Nachrufe lung all dieser Aufgaben möglich, die zudem in seiner Anfangszeit jah­relang durch die aus der Sozialgesetzgebung resultierenden, eigentlich archivfremden Agenden behindert wurden. Es waren Belastungen, von denen die übrigen Abteilungen des Staatsarchivs unbehelligt blieben und deren Ausmaß nur jene zu begreifen vermögen, die in jener Zeit im Kriegsarchiv wirkten, als der tägliche Einlauf aufgrund dieser zusätzli­chen Aufgaben im Durchschnitt die Zahl von 250 Poststücken umfaßte und in der überdies in dieser Angelegenheit an jedem Amtstag gegen 50 Personen persönlich vorsprachen. All dies wurde ohne zusätzliches Per­sonal bewältigt, freilich durfte niemand auf die Uhr schauen, Überstun­den, selbstverständlich unbezahlt, waren an der Tagesordnung und Ur­laube mußten aufgeschoben werden. Die Anzahl der jetzt noch im Zu­sammenhang mit dieser Angelegenheit an die personell gut dotierten Betreuer der inzwischen abgetretenen einschlägigen Akten herange­tragenen Anfragen verdient, gemessen an der jener Jahre, nicht einmal Erwähnung. Die letzten Jahre Wagners aber waren überschattet von den Vorbereitungen für die geplante Übersiedlung des Archivs in das neue Staatsarchivgebäude, der er mit tiefer Sorge entgegenblickte. Das Bild der Persönlichkeit Wagners wäre unvollständig, wollte man nur sein Wirken im Kriegsarchiv nachzeichnen, seine Aktivitäten grif­fen, bedingt durch persönliche Momente, über diesen Rahmen hinaus. Während seiner Tätigkeit in Rom hatte er dort die zeitweise gleich ihm dort arbeitende Kunsthistorikerin Renate Rieger, wie er Absolventin des Instituts für österreichische Geschichtsforschung und ab 1971 Ordina­ria an der Universität Wien, kennengelernt, die er 1956 ehelichte. Die­ser persönlichen Bindung entsprach auch eine wissenschaftliche. Zwar kam es nie zu einer gemeinsam veröffentlichten Arbeit, aber daß Wag­ner seine dienstfreien Samstage der Jahre 1960 bis 1971 der Ordnung des Archivs der Akademie der Bildenden Künste widmete und er zum Geschichtsschreiber dieser Hohen Schule wurde8), ist als Ergebnis ei­ner über persönliche Verbundenheit hinausgehenden gegenseitigen wissenschaftlichen Beeinflussung zu sehen. Daß ihm diese Gefährtin, die drei Kinder geboren hatte, von denen ihm die einzige Tochter im Tode vorangegangen ist, wenige Wochen vor der Silberhochzeit entris­sen wurde, hat Wagner innerlich bis zuletzt nicht überwunden. Es spricht für die tiefe innere Verbundenheit des Paares, daß Wagner Tage vor seinem eigenen Tod, der tragischerweise nur etwas mehr als zwei Wochen vor der Priesterweihe seines Sohnes Michael, die er so gerne noch miterlebt hätte, erfolgte, anläßlich des Besuches eines Kollegen aus dem Kriegsarchiv äußerte, es wäre nicht so schlimm zu sterben, 8) Vgl. Die Geschichte der Akademie der Bildenden Künste in Wien (= Veröffentli­chungen der Akademie der Bildenden Künste in Wien NF 1) Wien 1967. 450

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