Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)

HEPPNER, Harald: Serbien im Jahre 1889 nach einem Bericht Ludwig von Thallóczy's

Serbien im Jahre 1889 Essen er sich lustig machte, was man dann erfuhr. Seine Informationen bekam er nur von Risztics, eventuell Gruics, alles Übrige war für ihn ein Gesindel. Er hätte gefehlt, sich auf den Dutzbruderfuss zu stellen, aber so schädigte er noch mehr unser Interesse. Ist der oesterreichisch-un- garische Gesandte ein populärer Mann, dann lässt sich vieles machen und die sogenannten Stimmungen arten nicht in Schroffheit aus. Es wird so viel von der russisch-freundlichen und antiösterreichischen Stimmung gesprochen und geschrieben, dass man sich zwar mit der Gefahr der Wiederholung, aber doch äussern muss. Gewiegte Kenner des Landes und Volkes sind darüber im Reinen, dass auf die Dauer in Serbien kein Russophilismus möglich ist. Dieses plato­nische Gefühl äussert sich in Reden, in russischen Bildern, in Wirts­hausaufschriften, in schlechten Versen und bei der Geistlichkeit, in der Betonung der gleichen Religion. Man trifft überall ein Gasthaus zu Russland, man findet Photographien des russischen Kaiserpaares (die des unsrigen Monarchen sind meistens aus den Jahren 1854-1860), und in jeder Stadt gibt es einen panslavistischen Professor, der selten rus­sisch spricht, aber mit deutschen Phrasen auf die „Svaba“72) losdrescht. Wie Euer Exzellenz richtig bemerkten73), ist der Thronwechsel an Vie­lem schuld, wozu noch der Umstand in Betracht zu ziehen ist, dass die serbische Regierung, wie hier angenommen wird, sehr lang in „oester- reichischen [!]Fahrwasser“ fuhr. Die Leute halten es hier mit der Liebe und dem Hasse nicht lange aus. Der so oft und ohne allen Grund ver­herrlichte Held Marko Kraljevic74) antwortete einst dem Sultan, als die­ser ihn frug: „Wann würdest du Moham[m]edaner werden?“ - „Za inad“ {Aus Trotz). So erzählt die Sage. Jetzt sind die Leute aus Trotz Russen und spielen wieder Kinder des Czaren. Das wissen sie selbst. „Wir sind jetzt wieder Russen“, sagte mir ein liberaler General, „und kauften die Katze im Sack. Die Russen können uns nichts geben, wir nützen ihnen nur und werden leer ausgehen. Aber das ist nun so.“ Es wird schon die Zeit der Verständigug mit uns kommen, die Leute werden sich an­schmiegen, wieder auf Kündigung. Im ernsten Fall, charakterisirt ein Ausspruch Ristics’ die Situation: „Sollte Russland Krieg führen und haben wir aus seiner Niederlage Nutzen, dann sind wir gegen Russland.“ 72) Eher abfällige Bezeichnung auch für die österreichisch-ungarische Obrigkeit. 73) Hinweis auf ein dem Bericht voran gegangenes Gespräch mit Außenminister Kälnoky. 74) Marko Kraljevic (um 1335-1395), serbischer Teilherrscher nach der Schlacht an der Marica (1371) gegen die Türken, wurde zur epischen Figur, die im 19. Jahrhundert zum populären Überhelden ritterlicher Tugenden und historischer Größe aufgewertet wurde. 173

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