Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)
HEPPNER, Harald: Serbien im Jahre 1889 nach einem Bericht Ludwig von Thallóczy's
Serbien im Jahre 1889 vierte Abschnitt behandelt die Ereignisse rund um die Salbung Alexander Obrenovic’ zum König in Zica am 2. Juli, die nach Thallöczy’s Urteil ähnlich harmlos wie die Ereignisse in Krusevac abliefen, wenn nicht der russsiche Gesandte Persijani als einziger ausländischer Vertreter angereist wäre und es geschickt verstanden hätte, Rußlands Wohlwollen gegenüber Serbien hervorzukehren. Zusammenfassend hält der Kundschafter der Wiener Regierung fest, „daß die Mehrheit des serbischen Volkes zwar radikal, aber in sich zerfahren ist, Herr Risztic - wenn er gesunden wird - das Heft in die Hand bekommt, einen Krieg Niemand wünscht, sich [Serbien] vor Oesterreich aber fürchtet“. Der fünfte Abschnitt des Berichtes betrifft die Lage der ungarischen Serben, mit denen sich Thallóczy bei seiner Rückreise bschäftigt hat. Er weist auf den Mangel an positiver Betreuung der Serben durch die ungarische Regierung hin, was Anlaß zu Unzufriedenheit in verschiedenen Bereichen gäbe. Betrachtet man Thallöczy’s Gedanken zu seinen Erlebnisssen, ergibt sich folgendes Bild: Die Serben werden eher in Schutz genommen, d.h. der Berichterstatter ist nicht verwundert, daß im Lande eine gewisse Unruhe herrsche: die Politiker seien überwiegend schwach, das Volk im Grunde ruhebedürftig, weshalb es naheliege, den Überdruck der Unzufriedenen auf nationaler Ebene abzulassen; die nationalen Interessen der Serben seien noch nicht auf irreversiblen Wegen, sondern noch lenkbar. Thallóczy kritisiert hauptsächlich die Serbenpolitik Ungarns, da seiner Meinung nach Verbote, Konfidententätigkeit, divergierende Weisungen und die Nichtbeschäftigung mit den Problemen der Serben mehr böses Blut erzeugen als Toleranz und Anteilnahme. Sinngemäß führt er die Spannungen zu Serbien auch auf die Person des scheidenden Gesandten Hengelmüller zurück, dem es an der erforderlichen Geschmeidigkeit gefehlt habe und der zu einseitig, d.h. mit dem serbischen Königshof, zusammengearbeitet habe, anstatt sich auch in den führenden politischen Kreisen Ansehen und Anerkennung zu verschaffen. Eventuelle Bedenken, daß die Serben der Monarchie zum Königreich Serbien neigten, teilt der Beobachter nicht: diese wüßten um ihre trotz aller Mißstände vorteilhafte Lage unter dem Kaiser. Demzufolge stuft Thallóczy die aktuelle Russophilie in Serbien als Phänomen momentanen Opportunismus’ ein, der eine logische Reaktion auf die beengend empfundene Bindung Milans an Österreich-Ungarn sei und wieder unattraktiv werde, sobald dies den Serben nützlich erscheine. An die Feststellung, daß die Kosovo-Feier 1889 ein Mißerfolg für die nationale Propagada der Serben geworden sei, knüpft der Balkankenner den Ratschlag, im Jahre 1890 eine Zweihundertjahr-Feier des Zuzuges der Serben nach Ungarn aufzuziehen, „dann haben wir Kossovo auf weiteres gründlich vergessen lassen und kräftigen dadurch die Staatsidee 161