Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 40. (1987)
LUNITZ, Martin: Diplomaten im 16. Jahrhundert. Zum Problem der Finanzierung ständiger Gesandtschaften am Beispiel der Botschafter Kaiser Karls V. in Frankreich und England
6 Martin Lunitz einiger Zeit durch den Kastilianer Bernardino de Meza, Bischof von Eine, später Bischof von Badajoz, vertreten. Gemäß den Eintragungen des Receveur Général Jean Micault kehrte Philibert Naturei nach zwei Jahren vorübergehend zu König Karl zurück15). Der Gesandtschaftsposten wurde für die Zeit der Abwesenheit des Dompropstes mit dem écuyer Hugues de Buleux besetzt. Doch dieser beendete seinen Aufenthalt bereits nach 26 Tagen16). Erst ein Jahr später kehrte der Dompropst als Botschafter nach Frankreich zurück. Als Naturei seine Gesandtschaft endgültig beendete und am 1. Juli 1521 in Brüssel eintraf17), sollten die regelmäßigen diplomatischen Beziehungen zwischen Kaiser Karl V. und König Franz I. auf Jahre hinaus unterbrochen bleiben: Es war Krieg18). Die Gesandtschaft Philibert Natureis, wie auch jene Bernardino de Mezas in den Anfangsjahren der Regierung Karls in den Niederlanden, in Spanien und im Reich, bestätigen, daß das neue Instrument der ständigen Gesandtschaft inzwischen zum festen Bestandteil der Diplomatie gehörte. Gerade im Hinblick auf Karl V. und Franz I. läßt sich sagen, daß der Austausch von ständigen Gesandten auch nicht mehr ein Zeichen von besonderer Freundschaft oder eines Bündnisses war, sondern Perioden der Normalität in den Beziehungen kennzeichnete19). Und Normalität der zwischenstaatlichen Beziehungen bedeutete im Europa des 16. Jahrhunderts eine intensive und dauerhafte Kommunikation. Beide Prälaten erhielten während ihres Aufenthaltes Zahlungen durch den Receveur Général, speziell als Entlohnung für ihre Gesandtentätigkeit. Mit Philibert Natural waren vor Beginn der Reise 12 „livres de 40 gros, monnaie de Flandre“ als Tagessatz vereinbart worden, und zwar über seine sonstigen Bezüge und Pensionen hinaus20). Für Meza sind ähnlich präzise Angaben in den Comptes du Receveur Général nicht zu finden. Im Mai 1521 verzeichnet Micault erstmals eine Zahlung an ihn (900 livres)21), im August erhielt er erneut eine Abschlagszahlung (800 livres), wobei Micault hier und bei den folgenden Zahlungen an Meza vermerkt, daß dieser bereits vom argentier Karls, Jean d’Adurca, Geld empfangen habe22). Der Wechsel Mezas auf die „Gehaltsliste“ des Receveur Général ist mit der Rebellion der Comuneros zu erklären, welche (Dison 1971) 20-23; Sylvia Vollmann Philibert Naturelli im Dienste der habsburgischen Politik (phil. Diss. Graz 1980); Gerhard D i n a c h e r Die führenden Männer in den Erbländem und im Reich um Kaiser Maximilian I. (phil. Diss. Graz 1983) 118-128. 15) 1519 Mai 31: ADN B 2286 Micault 1519 fol. 248r-v. 16) Ebenda fol. 242r. n) ADN B 2301 Micault 1521 fol 353v. 18) Frankreich versuchte, von dem Aufstand der Comuneros in Kastilien zu profitieren und hatte Navarra besetzt. In Oberitalien marschierten französische Truppen gegen päpstliche und kaiserliche auf. Zu den politischen Ereignissen des Jahres 1521: Brandi Karl V. 1 127. 19) Zu Ernst Über Gesandtschaftswesen 93. 20) ADN B 2286 Micault 1519 fol. 237v. 21) ADN B 2301 Micault 1521 fol. 331v. 22) ADN B 2301 Micault 1521 fol. 335r; B 2309 Micault 1522 fol. 287r, 299r.