Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)
AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)
486 Literaturberichte Nach diesen Beiträgen, die sich mit dem Römischen Königs- und Kaisertum beschäftigen, behandelt Gotthold Rhode Die Königskrönungen in Polen zur Zeit der Wahlkönige (1572-1795) (S. 33-56), die hauptsächlich deutsche Quellen überliefern. Das Spezifikum dieser Krönungen war die Bestätigung der Wahl, deren Gültigkeit und Rechtmäßigkeit nicht von ihr abhing, die jedoch, was bei Doppelwahlen häufig vorkam, die faktische Machtergreifung ermöglichte. Denn „in den vier Fällen der Doppelwahl setzte sich schließlich doch regelmäßig derjenige durch, der schneller zur Stelle war und die Krone empfing und zwar in all diesen Fällen am rechten Ort, nämlich in der Kathedrale auf der Krakauer Königsburg, dem Wawel...“ (S. 34). — Außerordentlich interessant sind die Referate, die das Fortleben mittelalterlicher Traditionen in protestantischen Reichen darstellen, im Dänemark des 16., im England des 17. Jahrhunderts und im Preußen an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. In Dänemark und England dominierten die traditionell-mittelalterlichen Formen und Inhalte bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts. In Dänemark blieb die mittelalterliche Krönungstradition erhalten, man integrierte lutherische Glaubensauffassungen beim Krönungseid und bei der Krönungsmesse (Erich Hoffmann Die Krönung Christians III. von Dänemark am 12. August 1537. Die erste protestantische Königskrönung in Europa, S. 57—68). In England dokumentieren Krönungspredigten des 17. Jahrhunderts das Festhalten am Gottes- gnadentum und seinen Rechtsvorstellungen, wie es Thomas von Aquin in seinem Traktat De regimine principum formuliert hatte (David J. Sturdy English Coronation Sermons in the Seventeenth Century, S. 69—81). Friedrich III. von Preußen trennte bei seiner Königsberger Krönung 1701 Krönung und Huldigungseid von der Salbung. Heinz Duchhardt sieht in diesen Vorgängen, bei denen man pointiert von einer „Selbstkrönung“ und „Selbstsalbung“ des Preußenkönigs sprechen kann, den „Ausgangspunkt für eine generelle .Entkirchlichung“ der Königskrönung und damit des europäischen Königtums im ausgehenden Ancien Régime und im 19. Jahrhundert. Sie enthält insofern alle Merkmale eines historischen Knotens1; sie nimmt alte Entwicklungslinien auf, verändert aber in einem entscheidenden Punkt deren Richtung. Indirekt... hat sie durch die Veränderung der Kirche in die Rolle eines nur noch bedingt notwendigen Statisten dann eben doch den Weg in die Zukunft gewiesen (Die preußische Königskrönung von 1701. Ein europäisches Modell?, S. 82-95, zit. S. 95). Die letzten beiden Aufsätze befassen sich mit dem Selbstverständnis des französischen Königtums und mit magischen Vorstellungen, die die Wirkung der Königssalbung vom traditionellen Öl und vom traditionellen Krönungsort abhängig machen. Richard A. Jackson skizzierte in seinem Vortrag Anzeichen der Vergötterung des französischen Königs (S. 96—102) mit Ésprit den durch die Jahrhunderte laufenden Topos von der Identifikation des Königs mit Christus. Er ist vom frühen Mittelalter bis zur Krönung Ludwigs XVI. zu fassen. Dabei wird der Gesichtspunkt der germanischen Auffassungen vom heiligen König und vom Königsheil nicht berührt, ebenso wie das Überschneiden und das Nebeneinander von christlicher und mythologischer Überhöhung der Herrscher im 16., 17. und frühen 18. Jahrhundert unerörtert bleiben. In seinem nachgereichten Aufsatz untersuchte René Pillorget die Krönung Heinrichs IV. in Chartres 1594 (Le Sacre d’Henri IV, Roi de France et de Navarre ä Chartres le 27 février 1594, S. 103-117). Dabei kommen auch jene