Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)
AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)
Rezensionen 449 lassen: Einerseits könnte man vermuten, längst Wiederholtes sollte nochmals wiederholt werden, andererseits erscheint fürs erste der Zusammenhang von österreichischer Revolution und Rheinlanden wenig einsichtig. Und wenn auch tatsächlich nicht übersehen werden kann, daß in der bereits unüberblickbaren Literatur zur Revolution von 1848/49 ein erheblicher Teil der Studien auf publizistischem Quellenmaterial basiert und, da auch bedeutendere Arbeiten der jüngsten Zeit sich auf Zeitungen stützen, in der Interpretation keineswegs nur veraltet sind, gelang es Z. in beachtenswerter Weise, der gewiß nicht unbekannten Fragestellung solche Akzente zu geben, die einmal mehr das hohe Gewicht der österreichischen Revolution von 1848/49 erweisen. Es ist bekannt, daß diese Revolution in der „öffentlichen Meinung“ Deutschlands größte Resonanz fand. Erst die Befreiung aus den Fesseln der staatlichen Zensur ermöglichte die Ausbildung einer sich bald scharf scheidenden „Parteipresse“, die in der Folge zum wichtigsten meinungsreflektierenden, aber auch meinungsbildenden Faktor wurde. Bot sich das Bild der Presse schillernd und vielschichtig dar, so sind doch zwei Grundströmungen feststellbar: die demokratische - von ihrem republikanischen und sozialistischen Flügel bis zu den Vertretern einer gemäßigten kleinbürgerlichen Demokratie — und die bürgerliche - von den Organen des „kleindeutsch“ orientierten preußischen Großbürgertums bis zu den Blättern der Österreich zugewandten katholischen bürgerlichen Gruppe. In scharfer Form kamen diese beiden Grundrichtungen der revolutionären Bewegung 1848/49 in den Zeitungen des Rheinlandes, der ökonomisch und gesellschaftlich am weitesten entwickelten Region Deutschlands zum Ausdruck. Die publizistischen Vertreter beider Richtungen nahmen in bemerkenswertem Umfang zum Verlauf, zu den Problemen und zu den Wendepunkten der österreichischen Revolution von 1848/49 Stellung. Die Märzrevolution wurde durchgehend freudig begrüßt und als historische Tat des Wiener Volkes angesehen. Die Mairevolution bewertete man im demokratischen Lager als wichtigen integrativen Schritt zwischen demokratischer Intelligenz, demokratischem Kleinbürgertum und Arbeiterschaft. Eben aus diesem Grund fand sie die Ablehnung bürgerlicher Organe. Die Oktoberrevolution war nach dem Pariser Juniaufstand der folgenschwerste Rückschlag der revolutionären, demokratischen Bewegung. Als solchen sahen ihn auch die deutschen Demokraten, während die bürgerliche Presse überwiegend ungeschminkt die Ausschaltung der demokratischen „Anarchie“ und ihrer sozialen Konsequenzen sowie die Herstellung der „Ruhe“ durch die feudale Konterrevolution begrüßte. Z. diskutiert aber auch die „Deutsche Frage“, die „tschechische Nationalbewegung“ und die Verfassungsbemühungen des „Reichstages von Kremsier“. Gerade letzterem brachte man weitgehend Skepsis entgegen: Sahen bürgerliche Organe in seiner „imdeutschen“ Zusammensetzung einen scharfen Kontrast zum „würdigen“ Frankfurter Professorenparlament und eine Gefahr für das deutsche Österreich, so bewerteten die Demokraten die österreichische Reichsversammlung, vor allem nach den Oktobertagen, als „Verräterin“ an der Revolution. Auch die Revolution in Italien und Ungarn bewerteten beide Lager unterschiedlich: In der bürgerlichen Presse wurde die Wiedereroberung der beiden italienischen Provinzen als ein Sieg der „deutschen Sache“ gefeiert. Deutsche Demokraten jedoch ließen zu keiner Zeit die Solidarität mit dem italienischen Mitteilungen, Band 39 29