Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)

Rezensionen 437 suchen. Damit im Zusammenhang ist die Frage zu sehen, ob das Bündnis mit den Osmanen auf Grund der Staatsräson gerechtfertigt erscheint oder aber ob Thököly und seine Kurutzen sowie seine europäischen Verbündeten Verräter an der Christenheit seien. Die Grundzüge und Tendenzen der damaligen „Öffentlichen Meinung“ und die Intentionen der Meinungsmacher wurden vom Vf. auf Grund zweier bewußt gewählter Einzelbereiche analysiert: auf der einen Seite die Belletristik, die Zeitungen und Zeitschriften, die Flugblätter und Flugschriften, die Werke der Geschichte und der Geographie aus Frank­reich, auf der anderen Seite die ebenfalls publizierten gleichartigen Druck­erzeugnisse aus Holland. Damit ist paradigmatisch die prohabsburgische und antiungarische sowie die für Thököly und gegen das Haus Habsburg eintretende Gruppierung in Europa in ihren signifikanten Grundzügen erfaßt. Die Analyse der Druckerzeugnisse der politischen Propaganda wird in chrono­logischer Abfolge vorgenommen, um dem Ereignisablauf besser folgen zu können. Der Vf. hat aber stets den synoptischen Vergleich vor Augen und kommt durch diese Vorgangsweise zu einer plastischen Differenzierung der kontroversiellen Standpunkte und jener Motive, die dahinter stehen. Zusammenfassend seien noch einige generelle Schlußfolgerungen K’s präsen­tiert: — Die Ausformung der „Öffentlichen Meinung“ in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde überall zentral beeinflußt und gesteuert. — Die politische Propaganda war sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet. Nicht zuletzt die Anhänger der gegnerischen Seite sollten mit den Druckerzeugnissen erreicht und im Sinne der eigenen, als richtig empfundenen Position beeinflußt werden. — Die umfangmäßig bescheideneren Schriften, Zeitungen, Zeitschriften, Flug­blätter und Flugschriften, erreichten eine überaus große Verbreitung und übertrafen in ihrer Wirksamkeit bei weitem die Belletristik. — Die in Europa vorherrschende Meinung wurde im wesentlichen durch den kaiserlichen Hof und die katholische Kirche bestimmt. Sogar die protestanti­schen Mächte Holland und England als politische Gegner Frankreichs sowie weite kirchliche Kreise Frankreichs selbst zeigten sich für die Gesichtspunkte der christlichen Solidarität nicht unempfänglich. In Frankreich stand aller­dings eindeutig die Staatsräson im Vordergrund, daher wurden Bündnis und Kooperation mit Thököly und den Osmanen begrüßt und verteidigt. — In der Beurteilung Imre Thökölys und der Kurutzen ergaben sich gleichfalls verschiedene Ansatzpunkte. Die eine Seite hob hervor, Ungarn habe sich seine traditionelle Position als „antemurale Christianitatis“, als „murus et clipeus fidelitatis“ selbst aus der Hand geschlagen. Das Land werde am Machtstreben Thökölys und der führenden Magnatenkreise zugrunde gehen. Vor allem wur­den die Auflehnung gegen den legitimen Herrscher und der aktive Widerstand kritisiert. So hieß es ganz extrem in einer 1688 in Nürnberg erschienenen Schrift u. a.: „Einer höchsten Obrigkeit niemals gewaltsamer Widerstand von ihren Untertanen erwiesen werden sollte, obgleich die Obrigkeit wider die Gebote Gottes und sittliche Ehrbarkeit walten und die Untertanen wider Rechte und Billichkeit härtiglich bedrangsalen täte“ (Zitat auf S. 378 nach J. N. Flämitzer Ewige Vermählung des Glorwürdigen Erzhauses Österreichs mit der Ungarischen Königs-Crone [Nürnberg 1688]). Die andere Seite hob die traditionelle Abneigung der Magyaren gegen die Deutschen hervor und geißel-

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