Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)

MIKOLETZKY, Lorenz: Wie alt ist die Spanische Reitschule wirklich? Ein Nachtrag zum Jubiläum von 1972

Wie alt ist die Spanische Reitschule wirklich? 327 besitzen, stammt vom 20. September 1565: in einem Dokument, das dieses Datum trägt, wird ein Betrag von hundert Gulden ,zur Aufrichtung des Thumblplatz im Garten an der Purgkh alhie“ genannt. Auf dem Areal des heutigen Josefs­platzes beziehungsweise des heutigen Burggartens, in unmittelbarer Nähe der Hofburg, wurde damals eine offene Reit- und Turnierbahn installiert. Drei Jahre vorher hatte Erzherzog Maximilian, der Sohn Kaiser Ferdinands I., die Zucht spanischer Pferde in Österreich eingeführt (Gestüt Kladrub). Die offene Reitbahn konnte sich nicht lange bewähren: Wind, Schnee und Regen dürften einer konsequenten Arbeit mit den Pferden sozusagen natürliche Grenzen ge­setzt haben. Und schon wenige Jahre später ist von einem gedeckten Reitsaal die Rede. In einem am 20. August 1572 unterfertigten Schreiben an den Schloß­hauptmann von Ebersdorf bei Wien — ein erst kürzlich errichtetes und feudal eingerichtetes Lustschloß im Osten der Stadt — heißt es, ,dem kais. Hof-Pau- schreiber“ seien ,zur verförttigung Vnterschiedlicher Standt Seyln in Spainischen Reithsall etlich Vnnd zwainzig Stamben abuolgen zu lassen“, dem kaiserlichen Hofbauschreiber seien also zur Fertigung verschiedener Standsäulen im .spaini­schen“ Reitsaal einige zwanzig Holzstämme ausfolgen zu lassen. Mag sein, daß diese Nachricht auf die Renovierung einer bereits bestehenden Reithalle hin­weist, mag aber auch sein, daß von einem Neubau die Rede ist. Wichtig ist jedenfalls, daß in diesem Dokument der Name .Spainischer Reithsall“ zum er­stenmal auftaucht“2). Auch in. einem weiteren „Jubiläumsbuch“, das 1980 er­schien, kann man lesen: „Im Jahre 1980 sind es genau 400 Jahre, seit er [der Lipizzaner, Anm. d. Vf.] gestütmäßig konsequent gezüchtet wird. Der Zweck der Zucht war von Anfang an die Versorgung der Spanischen Hofreitschule in Wien mit geeigneten Schul­pferden. Vorher sind in dieser Reitschule vorwiegend spanische Hengste ver­wendet worden; daher die Bezeichnung .Spanische“ (entstanden 1572)“ 3). Es kommt nun bisweilen vor, daß auch anerkannte Wissenschaftler irren, aus Gründen, die nicht immer eruierbar sind. Im Falle der Spanischen Reitschule hat durch eine Arbeit des bekannten Kunsthistorikers Moriz Dreger (1868—1939) das „Gründungsjahr 1572“ in die Literatur Eingang gefunden und wurde von dort immer wieder übernommen, obwohl die Originalquelle noch existiert. Im Band 14 der Österreichischen Kunsttopo­graphie schreibt Dreger 1914 zur Baugeschichte der k. k. Hofburg in Wien bis zum XIX. Jahrhunderte: „Im Jahre 1572 heißt es dann in einem Erlasse (vom 20. August) an den Schloß­hauptmann von Ebersdorf, dieser habe ,dem kais. Hof-Pauschreiber zu verförtti­gung (Verfertigung) Vnderschiedlicher Standt Seyln (Standsäulen) in Spaini­schen Reithsall (im spanischen Reitsaal) etlich Vnnd zwainzig Stamben (Stämme Holz) ... abuolgen zu lassen“. Es wurde damals also eine gedeckte Reitschule entweder ganz neu erbaut oder irgendwie erneut“ 4). 2) Handler — Lessing Hofreitschule 79. — Das Zitat des Berichtes von 1565 stammt aus: österreichisches Staatsarchiv — Hofkammerarchiv (HKA) österreichisches (niederösterreichisches) Gedenkbuch 98 fol. 253 und findet sich gedruckt bei: Moriz Dreger Baugeschichte der k.k. Hofburg in Wien bis zum XIX. Jahrhunderte (österreichische Kunsttopographie 14, Wien 1914) 123. 3) Heinrich L e h r n e r Lipizzaner heute. 400 Jahre Gestütszucht (Bad Homburg—Wien 1980) 5. 4) Dreger Baugeschichte 123. — Zu Dreger vgl. österreichisches Bio­graphisches Lexikon 1815—1950 1 (Graz—Köln 1957) 199. — In der Arbeit von Kurt

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