Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)
LAUBACH, Ernst: „Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert. Zu Inhalt und Funktion eines politischen Begriffes
.Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert 7 gen für dieselbe Sache stehen. Aufgabe des „Nationalkonzils“ sollte die Herbeiführung eines allseitig anerkannten ökumenischen Konzils sein. Falls dies jedoch mißlingen würde, sollte einerseits erörtert werden, wie sicherzustellen sei, daß die Konzilien der ihnen in Konstanz zuerkannten Vollmacht gerecht werden könnten; andererseits aber sollte dann über die Probleme „der Nation“ beraten werden, wobei die Anregung, eventuell eine pragmatische Sanktion anzustreben, deutlich die bekannte Erklärung des französischen Klerus auf der Synode von Bourges (1438) als Vorbild erkennen läßt. Die so angedeutete substitutive Funktion des Nationalkonzils dürfte auch einen taktischen Stellenwert gegenüber den streitenden Parteien gehabt haben. In den nächsten Jahrzehnten ist der Gedanke an ein „Nationalkonzil“ als Alternative oder Vorstufe zu einem allgemeinen Konzil einige Male in Denkschriften und ständischen Beschlüssen zu finden, wenn es um „Gravamina der deutschen Nation gegen den römischen Hof“ (Gebhardt) ging2S); insofern mag ein antikurialer Akzent mitgeklungen haben. Aber die geringe Einmütigkeit unter den führenden politischen Kräften des Reiches ließ dies Makulatur bleiben* * 28 29). Ohne daß ein bewußtes Wiederauf greifen zu erweisen wäre, wird man doch die Behauptung wagen dürfen, daß die Intentionen 1524 ganz ähnlich waren: Durch ein „Nationalkonzil“ sollte ein allgemeines Konzil, wenn man es nicht in absehbarer Zeit haben konnte, beschleunigt sowie ihm vorgearbeitet und bis zu seinem Zusammentritt eine vorläufige Lösung der drängenden Probleme „der Nation“ erreicht werden. Mehrfach ist ja auch schon darauf hingewiesen worden, daß es keineswegs die — wenigen — Anhänger der Lehren Luthers gewesen sind, die die Idee in die Diskussion der Reichsstände eingebracht haben, sondern wohl die Herzoge von Bayern, die für die neue Lehre keine Sympathien hegten30); ihre Beratungsunterlagen enthalten eben jene Gedanken, die die Mehrheit der Stände sich zu eigen gemacht hat: „dieweil aber die irtung je lenger je grosser werden, so war zu besorgen, es mocht on ain concili oder sinodum nit erledigt werden. So dann ain gemain concili villeicht nit paid mocht gehalten werden und auch ander nacion nit in der irtung waren wie die Teutschen, war diser zeit nichts pessers, dardurch dise irtung ausgereut und abgestelt mocht werden, dan das man sich vergleicht, ain sinodum Teutscher nacion zu halten ..31). 1447) in AÖG 75 (1889) 156 f; Heinz Anger meier Das Reich und der Konziliarismus in HZ 192 (1961) 574 (mit z. T. anderer Bewertung). 28) Z. B. 1451: vgl. Werminghoff Bestrebungen 112 Anm. 1 und J e d i n Konzil von Trient 1 37. Oder 1456: vgl. Wilhelm Roß mann Betrachtungen über das Zeitalter der Reformation (Jena 1858) 422 f und Bruno Gebhardt Die gravamina der Deutschen Nation gegen den römischen Hof (Breslau 21895) 19, 30. 29) Dazu Werminghoff Bestrebungen 114 ff. 30) Vgl. Weizsäcker Versuch 204; H o f m a n n Konzilsfrage 72. si) RTA JR 4 434 Z.7—13; vgl. auch die bayerische Aktennotiz vom Februar 1524 (ebenda 301 Z. 13—17), die den Konzilsgedanken deutlich, das „Nationalkonzil“ vielleicht enthält.