Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)

DUCHHARDT, Heinz: Das Tunisunternehmen Karls V. 1535

Das Tunisuntemehmen Karls V. 1535 49 war, nicht damit zu rechnen, daß sich die deutschen Fürsten überhaupt zu finanziellen und materiellen Leistungen bereitfinden würden, wo diesmal „nur“ das ferne Nordafrika das Objekt des Konfliktes war und man zudem jeden politischen Erfolg des Kaisers, in dem ja immer ein weiterer Baustein zur vermeintlichen Errichtung der „Universalmonarchie“ gesehen wurde, mit al­len Kräften zu verhindern suchte. Das galt übrigens längst nicht nur für die Protestanten, obwohl gerade sie aus theologischen und im allgemeinen dann auch aus politischen Gründen zögerten, Türkenkriege zu unterstützen55): Ein offensives, anders ausgedrückt: ein dynastisches Vorgehen gegen die Türken, in dem man im Reich zunächst einmal einen bloß religiös getarnten politischen Krieg sah, kam für die Stände in ihrer Gesamtheit nicht in Betracht56), wie das insbesondere auch Luther in seiner Schrift Vom Kriege wider die Türken 1529 ausdrücklich ausgeschlossen hatte57). Drittens wäre zu erwarten gewesen, daß die Protestanten wie 1530 und 1532 auch diesmal ein Junktim zwischen Türkenhilfe und Religionsfrage herzustellen, d. h. weitere, über den Religions­frieden von 1532 hinausgehende Konzessionen und rechtliche Sicherstellun­gen58) zu erzwingen versucht hätten. Eine Fortsetzung solcher Kompensations­geschäfte, die für die Protestanten bisher so außerordentlich einträglich gewe­sen waren, konnte für Karl V. nicht mehr akzeptabel sein. So kam es, daß dieses Türkenunternehmen relativ geräuschlos an den deut­schen Protestanten vorbeilief. Die Schmalkaldener und die übrigen neugläubi­55) Daß ein protestantischer Reichsstand wie Kursachsen 1529 weitaus mehr Truppen zur Verfügung stellte als seinem Anschlag entsprach, widerspricht dem nicht, denn damit wurde der politische Zweck verfolgt, „die Gefahren des Glaubenszwiespaltes durch die Solidarität mit den altgläubigen Ständen bei der Türkenabwehr zu mildern und sowohl den Kaiser wie König Ferdinand günstig zu stimmen“: Wolfgang Steglich Die Reichstürkenhilfe in der Zeit Karls V. in Militärqeschichtliche Mitteilungen 11 (1972) 41. 5e) Harvey Buchanan Luther and the Turks 1519-1529 in Archiv für Reformations­geschichte 47 (1956) 152. 57) Ebenda 154. Martin Luther sah das Türkenproblem durchgehend im Kontext seines Antichrist-Bildes, d. h. interpretierte es unter eschatologischen Vorzeichen als eine Komponente neben anderen (Papst, Juden, Wiedertäufer) des Kampfes des Teufels gegen die wahre Kirche und neigte von dieser Position her lange dazu, die Türkengeißel als eine Strafe Gottes anzusehen, der man primär theologisch begegnen müsse, eben durch eine Reform der Kirche. Da das aber bei vielen Anhängern Luthers zu der Schlußfolgerung führte, man müsse auch die Türkeneinfälle passiv hinnehmen, präzi­sierte der Reformator in den späteren 20er Jahren, daß es für den Christen durchaus die Pflicht gebe, unter Führung der weltlichen Obrigkeit (nicht des Papstes!) einer Türken­invasion militärischen Widerstand zu leisten. Es ist für ihn freilich eine große offenblei­bende Frage, ob dieses türkische Reich überhaupt von den Christen oder - dem Prophe­ten Daniel gemäß — vom Himmel gestürzt wird. Der innere Widerspruch in seiner Haltung - die ja politische Konsequenzen hatte! - wird hier besonders deutlich. Die eschatologische Interpretation Luthers übte eine erhebliche Breitenwirkung aus; vgl. insgesamt Göliner Turcica 3 176-198. 5B) Die Verschränkung von Religions- und Türkenfrage in den Jahren 1530-1532 analysiert Stephen A. Fischer-Galati Ottoman Imperialism and the Religious Peace of Nürnberg (1532) in Archiv für Reformationsgeschichte 47 (1956) 160-180. Mitteilungen, Band 37 4

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