Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)

SPIELMAN, Danila Cole – THOMAS, Christiane: Quellen zur Jugend Erzherzog Ferdinands I. in Spanien. Bisher unbekannte Briefe Karls V. an seinen Bruder (1514–1517)

Quellen zur Jugend Erzherzog Ferdinands I. 9 Blätter als letzter in der Hand hatte. Wahrscheinlich hatte er diese Tatsache vergessen, denn immerhin waren inzwischen — seit 1886 — achtzehn Jahre vergangen33). Wie immer dem auch sei: Dieser für das Archiv doch peinlichen Situation begegnete man durch Schweigen. Man machte Bauer nicht darauf aufmerksam, daß der Behelf zusätzliches Schriftgut für seine Bestrebungen auswies, das man nicht auffinden konnte. Bauer blieb völlig ahnungslos: Sicherlich hätte er sonst in abgewandelter Form zu seiner Notiz über den Chmelschen Maximiliandruck, dessen Original (wir wissen nicht wann) wieder auftauchte, in der Edition die Deperdita vermerkt, nicht zuletzt deshalb, um so eine dichtere Korrespondenzfolge anzudeuten. Wilhelm Bauer von dem Vorwurf der Oberflächlichkeit zu entlasten, genügt nicht. Die Frage, ob ihm uneingeschränkt, wie bei dem heutigen Forschungsbe­trieb, alles Archivgut zugänglich und greifbar war, ist mit nein beantwortet. Den Archivar der Gegenwart befriedigt es jedoch nicht, lange Verschollenes nicht verloren zu wissen, er will versuchen, der Geschichte des Verschwindens und Wiederauftauchens nachzuspüren. Vorweggenommen wird, daß diese Be­mühungen nicht letzte Klarheit gebracht haben, denn sie können sich im wesentlichen nur auf Schriftvergleiche von Archivarshänden stützen, die Be­schriftungen auf Umschlägen und Rückseiten der Dokumente angebracht haben: Nie wurde in den Kurrentakten des Hauses offen zugegeben, daß die Briefe Karls „abgängig“ waren, nie die Beamten aufgefordert, ihr Augenmerk auf eventuell falsch als „Irrläufer“ eingelegte Akten zu richten. Nachdem Carl August Ludwig Hermann Baumgarten (1825-1893), seit 1872 in Straßburg Universitätsprofesor34), 1885 in Stuttgart seinen ersten Band der Geschichte Karls V. veröffentlicht hatte, wandte er sich schriftlich am 28. Fe­bruar 1886 mit der Bitte an den damaligen Archivdirektor, Alfred Ritter von Ameth, im Wiener Archiv Quellen zur Geschichte der Beziehungen Karls V. zu Ferdinand I., des Reichsregiments und des Reichstags für die Jahre 1521-1524 benützen zu dürfen35). Baumgarten arbeitete am zweiten Band seiner Biogra­phie, der noch im selben Jahr, 1886, erschien36). In unserem Zusammenhang ist die Tatsache bedeutungsvoll, daß er für Band 1 das Wiener Archiv nicht in seine Materialsuche einbezogen hatte: Sein Dank an Arneth im Vorwort galt nur der Bereitwilligkeit des Direktors, die damals noch in Wien liegenden Abschriften der Tagebücher Marino Sanutos zur Verfügung zu stellen37), ohne daß Baumgarten nach Wien reiste. Mit anderen Worten: Die Kopien wurden an ihn entlehnt38). Für seinen Aufenthalt zwischen 17. März und 10. April 1886 33) Siehe unten S. 10. 34) NDB 1 (Berlin 1953) 658f. 35) HHStA Kurrentakten ZI. 81/1886. 3e) Arneth dankte am 26. November 1886 für die Übersendung je eines Exemplares an die Archivbibliothek und an ihn persönlich: ebenda ZI. 392/1886. 37) Baumgarten Kaiser Karl V. 1 Vorwort X. 38) Die Entlehnung ergibt sich aus dem Wortlaut des Briefes Baumgartens an Arneth vom 28. Februar 1886 (HHStA Kurrentakten ZI. 81/1886): Da er selbst nach Wien kommen würde, wäre es nicht notwendig, ihm die Sanuto-Kopien zuzusenden.

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