Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)
WINTER, Otto Friedrich: In memoriam Otto Brunner
562 Nachruf der Wissenschaften, seine Arbeiten über die geschichtliche Stellung (1948) und die Rechtsquellen der Städte Krems und Stein (1953), vor allem aber ein weiteres epochales Hauptwerk, Adeliges Landleben und europäischer Geist. Leben und Werk Wolf Helmhards von Hohberg 1612—1688 (1949). An Hand der Quellen über die geistigen und materiellen Lebensumstände eines nicht allzu bedeutenden Mitglieds der niederösterreichischen Landstände werden die Grundelemente des Selbstverständnisses der frühneuzeitlichen Adelsschichte überzeugend herausgearbeitet. Die Fachwelt hatte längst auch außerhalb Österreichs die hervorragenden Leistungen Otto Brunners registriert, sodaß es nicht an Angeboten mangelte, als er sich entschloß, seine Laufbahn außerhalb seines Heimatlandes fortzusetzen. Einen Übergang dazu bildete die Mitarbeit an dem Handbuch der deutschen Geschichte, herausgegeben von P. Rassow (Abschnitte Kaiser und Reich im Zeitalter der Habsburger und Luxemburger 1257—1517 und Das konfessionelle Zeitalter 1555—1648). Eine Berufung an die Universität Köln, an der er 1952 als Gastprofessor vortrug, kam aus formellen Gründen nicht zustande. Mit dem Antritt des Ordinariats für neuere und mittlere Geschichte an der Universität Hamburg am 1. April 1954 — als Nachfolger von Hermann Aubin — begann jedoch ein letzter Abschnitt der Berufslaufbahn, der wieder im Zeichen bedeutender Erfolge stand. Dazu gehörte die Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit, die einen zahlreichen, begeisterten Schülerkreis um ihn versammelte, ebenso wie die Berufung zu akademischen Würden (im Studienjahr 1958/59 Dekan der philosophischen Fakultät, 1959/60 Rektor). Der Forschertätigkeit sind weitere Publikationen zu danken, die sich mit Problemen der Geistes- und Kulturgeschichte und der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte befassen. Einige Ergebnisse sind zusammengefaßt in den Sammelwerken Neue Wege der Sozialgeschichte (1956), Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte (1968; letzteres Werk erlebte Übersetzungen in die italienische, spanische und japanische Sprache) und Sozialgeschichte Europas im Mittelalter (1978). Hervorgehoben aus der Vielzahl seiner Publikationen, die 1966 schon 160 Einzelwerke und Zeitschriftenbeiträge sowie 155 Rezensionen umfaßten, sei noch die Mitarbeit an dem zehnbändigen, in Bern herausgebrachten Handbuch der Weltgeschichte Historia Mundi (1958; Abschnitte Inneres Gefüge des Abendlandes und Humanismus und Renaissance) und an Sachwörterbüchern, wie der Artikel Feudalismus im Handwörterbuch der Sozialwissenschaften (1960). Gemeinsam mit W. Conze und R. Koselleck begründete er das Lexikon für geschichtliche Grundbegriffe. 1966 emeritiert, hat Otto Brunner noch in den Jahren 1967 bis 1973 durch das Abhalten von Seminaren die Lehrtätigkeit fortgesetzt. Bis zuletzt hat er durch die aktive Teilnahme an Fachtagungen und Kongressen das wissenschaftliche Leben bereichert. Mit dieser Darstellung einiger Fakten eines reichen, letztlich doch erfüllten Lebens sei die Würdigung des Verstorbenen abgeschlossen. Es ist hier nicht der Raum, fachlich