Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)
HUMMELBERGER, Walter: Ein wallonisches Pasquill über die Türken vor Wien im Jahre 1683
Ein wallonisches Paquill über die Türken vor Wien 271 nungen und Angaben über die Organisation der Verteidigung als den „militärisch bedeutsamsten“ 8). Die als Pasquill bezeichnete Ballade hingegen stellt die Härten und Gefahren des Belagerungsalltags in volkstümlicher Sprache dar. In der gesamten zeitgenössischen Lieder- und Gedichtliteratur zu diesem spektakulären Ereignis gibt es kein gleichwertig farbiges und zugleich konkretes Pendant, sodaß es angebracht schien, diese gleichsam ergänzende, populäre Fassung der Relation vorzulegen. Zu Beginn werden in bündiger Form die Leiden der Bevölkerung durch die Grausamkeit der türkischen Invasoren und deren Bestrafung trotz aller Übermacht durch den ,lieben Gott“ beschrieben, und damit ist zugleich die Erklärung für die Bezeichnung Pasquill als Spottschrift auf den bis zur Entsatzschlacht übermächtigen Belagerer gegeben. Bei der Aufzählung der türkischen Hilfsvölker werden auch die „rebelies de Hongrie“9), die als „Kuruzzen“ bekannten und gefürchteten Anhänger des Führers der ungarischen Protestanten, Imre Graf Tököly, genannt. Karl von Lothringen zerschlug zwar durch das erfolgreiche Gefecht bei Preßburg am 29. Juli 1683 l0 *) die ungarisch-türkische Streitmacht am linken Donauufer und verhinderte damit den Verlust von Preßburg, aber die Tatsache der militanten Kollaboration und der unmittelbaren Bedrohung der christlichen Erblande konnte dadurch nicht ungeschehen gemacht werden. Dabei ist eine der Hauptursachen für die Spaltung des Widerstandes gegen die türkische Bedrohung die unglückliche Ungarnpolitik Leopolds I. in den Jahren 1671 bis 1681 gewesen, derentwegen dem Kaiser wohl auch der lapidare Satz „Faciam Hungáriám captivam, postea mendicam, deinde catholicam“ in den Mund gelegt wurde u). Gleich zu Beginn der Belagerung zeigte es sich, daß nach wie vor die enorm rasch schießenden türkischen Bogenschützen den trotz aller Geübtheit viel langsameren Musketieren erheblich überlegen waren. Die Tragweite war ungefähr gleich groß, die problematische „größere“ Treffsicherheit der Luntenmuskete wurde jedoch durch die Dichte des Pfeilhagels („nuée“) auch psychologisch übertroffen12). Über die Härte des Kampfes wird offen gesprochen, die Gefangenen wurden auf beiden Seiten umgebracht13); die Türkenköpfe steckten die Verteidiger auf die Spitzen der Palisaden, wie es der Rundplan von Heinrich Schmid 14) freimütig zeigt. 8) Stöller Neue Quellen 7. 9) Transkription Zeile 12. 1#) Bedrich Swieteczky Kurucké války na Slovensku [Die Kuruzzenkriege in der Slowakei] (Praha 1928) 37—48, bes. 39 ff. u) So auch Grégoire Une Paskeille wallone (wie Anm. 7) 167. 12) Transkription Zeilen 27—32. 1S) Transkription Zeilen 68—75, 100—104. 14) Vgl. Heinrich Schmidts Rundplan der Stadt Wien aus der Vogelschau während der 2. Türkenbelagerung, undatierte Radierung mit Widmung an Rüdiger Graf Starhemberg: Kriegsarchiv (Wien) Kartensammlung H III c 172;