Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

KÖHBACH, Markus: Ein diplomatischer Rangstreit in Istanbul im Jahre 1587

Ein diplomatischer Rangstreit in Istanbul 263 Seigneur de Lanscosmes5). Die Charaktere beider Personen boten ideale Vor­aussetzungen dafür, daß die politischen Gegensätze der Mächte, die sie reprä­sentierten, zu Konflikten und Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit führten. Dr. Pezzen, von Herkunft Tiroler, ein glühender Verfechter der Ideen der katholischen Gegenreformation, wird als stolzer, harter und hochfahrender Mann beschrieben, der eifersüchtig auf seinen Rang bedacht war und in Fragen, in welche das konfessionelle Problem hineinspielte, Intoleranz und unmenschliche Härte zeigte6). Wir müssen allerdings dieses Persönlichkeits­bild, das uns Heberer und Lubenau sehr eingehend beschreiben, mit Vorsicht betrachten, da beide Autoren Protestanten waren und schlechte Erfahrungen mit Dr. Pezzen gemacht hatten. Heberer hatte als Protestant vergeblich ver­sucht, durch Pezzens Hilfe aus seiner Gefangenschaft befreit zu werden; Lubenau war als Angehöriger des Gesandtschaftspersonals mehrfach religiö­sen Zwängen ausgesetzt. Immerhin war Pezzen, der bereits vordem etliche Jahre als Gesandtschaftssekretär in Istanbul tätig gewesen war, ein guter Kenner der politischen Szene des Osmanischen Reiches und ein tüchtiger Diplomat, dem es gelang, während seiner Amtszeit (1587—1591) ein einigerma­ßen gutes Verhältnis zwischen dem Hof in Prag und der Hohen Pforte zu wahren. Jacques Savary, Seigneur de Lanscosmes, war wie Pezzen eifriger Katholik - er war in Frankreich Anhänger der katholischen Liga7) - und galt als arrogant, anmaßend und streitsüchtig, was ihn selbst bei den osmanischen Behörden unbeliebt und lächerlich machte. Trotz seiner streng katholischen Gesinnung unerstützte er Protestanten, wie etwa Heberer, vor allem aus Propagandagrün­den gegen Dr. Pezzen. Heberer hat ihm das durch eine überschwenglich positive Beurteilung gedankt. Während Dr. Pezzen als Gesandter des Kaisers die Vorzugsstellung unter den christlichen Diplomaten beanspruchte, widersetzte sich Lanscosmes diesem Anspruch, indem er argumentierte, die Osmanen würden den Kaiser nicht als gleichrangig anerkennen, sondern bloß als König von Ungarn, der der Hohen Pforte tributpflichtig wäre. Demgegenüber stünde ihm als Gesandten des französischen Königs, der als rex christianissimus eine Vorzugsstelle in der Christenheit einnehme, der Vorrang zu. Beide Gesandten pflegten den katholischen Gottesdienst in der Kirche von San Francesco8) in Galata zu besuchen. Auch hier kam es zu Streitigkeiten um den 5) Über ihn Emmanuel Guignart, Comte de Saint Priest Mémoires sur l’ambassade des Frangais dans le Levant (Paris 1877) 199 f. 6) Vgl. dazu Heberer 295-297, 314; Lubenau 1. Teil (Mitteilungen aus der Stadtbi­bliothek Königsberg i. Pr. 4, Königsberg i. Pr. 1912) 61 f, 86; 2. Teil, 1. Lieferung 36 f. ’) Nach Hammer Geschichte 4 (Pest 1829) 157 protestierte er 1590 beim Großvesir gegen die Anerkennung des Protestanten Heinrich von Navarra als König von Frank­reich durch das Osmanische Reich. Hammer zitiert dazu in Anm. d: „Sum. del. rel. venet. 15. Marzo 1590: L’amb. del re morto si duole col Bassa che habbia scritto lettere al re di Navarra riconoscendolo re di Francia“. 8) Über das Schicksal dieser Kirche, die 1697 von den Osmanen konfisziert und in

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