Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

DIRNBERGER, Franz: Theaterzensur im Zwielicht der Gesetze (1918–1926)

250 Franz Dirnberger feuer- und sicherheitspolizeilichen Angelegenheiten der Bundestheater sah dieser Entwurf die Kompetenz der Bundesregierung vor. Das Wort „Zensur“ vermied man, wie seit 1848 verbarg sich diese weiterhin unter der Bezeichnung „Aufführungsbewilligung“. In der Vorbemerkung zu diesem Entwurf heißt es dazu, es „wurde grundsätzlich ausgesprochen, daß keine Aufführungsbewilligung not­wendig ist, und wurde das Wesen der alten Zensur beseitigt. Insofern aber die Behörden nach wie vor die Möglichkeit haben müssen, Gefährdungen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Wohlfahrt durch die vom Theater ausgehenden, oft so mächtigen Wirkungen zu verhüten, ist das hiezu Erfor­derliche auf die einfachste Weise in den §§ 36, 37 und 38 zusammengefaßt. Bei der Handhabung dieser Paragraphen wird die Mitwirkung der Beiräte und die Art ihrer Zusammensetzung ganz besonders von entscheidendem Ein­fluß sein und jede Einseitigkeit oder Voreiligkeit verhindern. Die Direktoren und Vertreter des Schauspielstandes, die an den Vorberatungen über den Ent­wurf teilnahmen, haben sich übereinstimmend dahin ausgesprochen, daß die Gefahr willkürlicher und ungerechtfertigter Verfügungen viel größer wäre, wenn die beantragte Form der Beaufsichtigung durch die politische Behörde wegfiele und an ihre Stelle nur das gerichtliche Verfahren träte, das schon deshalb auf diesem Gebiet versagen muß, weil es sich hier eben in den sel­tensten Fällen um eine klare Verletzung des Rechtes, sondern beinahe immer nur um Rücksichten des allgemeinen Wohles handelt“ 41). Über „das Wesen der alten Zensur“ dürften allerdings höchst fragwürdige Vorstellungen vorhanden gewesen sein42). Im Grundgedanken wich man von der bisherigen Vorgangsweise nicht ab. Eine leichte Verbesserung brachte ein weiterer Entwurf von Dr. Hampel. Die wichtigste Neuerung beinhaltet § 26 Absatz 4, daß ein einmal in einem Land freigegebenes Bühnenstück ohne weitere Aufführungsbewilligung gespielt werden durf­te. Ferner hatte der Landeshauptmann — statt der „politischen Landes­behörde“, wie vorher vorgesehen — vor Untersagung eines Bühnenstük- kes den Landestheaterbeirat beizuziehen und zu hören43). In Sachen Zensur für die Bundestheater sahen diese Entwürfe keine Aus­nahme vor; demnach wäre jeweils die Bewilligung vom Bürgermeister als Landeshauptmann von Wien einzuholen gewesen. Die Vertreter des Bundes nahmen dies in einer Besprechung am 16. Dezember 1921 ohne Protest oder Bedenken zur Kenntnis 44). Laut einer amtlichen Mitteilung an die Bundestheaterverwaltung habe aber, als am 10. März 1922 im Unterausschuß des Nationalrates der Gesetzesentwurf noch einmal bera­ten und beschlossen werden sollte, der Vertreter des Bundesministeriums für Inneres und Unterricht vorgeschlagen, die Aufführungsbewilligung bei den Bundestheatern nicht durch den Landeshauptmann, sondern schon 41) Stenographische Protokolle Beilage 562 (S. 2); BThV 1—2/36—16. 42) vgl. (jen Artikel von Hermann Bahr in Neues Wiener Journal 1922 Fe­bruar 13. 43) BThV 1—2/36—16 ex 1922. 44) BThV 1—2/36—10 ZI. 1159 ex 1920.

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