Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 36. (1983)

LUTTENBERGER, Albrecht: Landfriedensbund und Reichsexekution. 2. Zur politischen Vorgeschichte des Frankfurter Reichskreistages vom Oktober/November 1554

Landfriedensbund und Reichsexekution 7 ständisches Engagement zum Vollzug des Kammergerichtsurteils 17). Hin­zu kam die nicht ganz unberechtigte Auffassung, daß die fränkischen Verbündeten dem Markgrafen militärisch gewachsen seien, die Exeku­tionshilfe also nicht dringlich sei18). Es wäre irreführend, die Gründe für diese Haltung vorschnell in konfessionspolitischen Motiven zu suchen. Die Weigerung, die von der Reichsordnung her gebotene Exekutionsver­pflichtung unabhängig von der Haltung des Kaisers automatisch als ver­bindlich gelten zu lassen und zu erfüllen, erklärt sich ähnlich wie bei Mainz vielmehr vornehmlich aus einem ausgeprägten territorialen Si­cherheitsinteresse, aus der Scheu vor schwer kalkulierbaren Risiken. Zu­gleich war sich Herzog Christoph freilich durchaus im klaren darüber, daß die territoriale und regionale Stabilität entscheidend davon abhing, ob eine allgemeine Konsolidierung und Pazifikation der reichspolitischen Verhältnisse gelang. Um sowohl der allgemeinen als auch der eigenen, territorialen Interessenlage gerecht zu werden, entwickelte Herzog Chri­stoph eine Art Doppelstrategie. Zum einen schlug er vor, auf dem Bruch- saler Bundestag den Kurfürsten von Mainz dazu zu bewegen, in seiner Eigenschaft als Reichserzkanzler einen Konvent der Kurfürsten und eini­ger bedeutender Reichsfürsten auszuschreiben, auf dem über die ständi­schen Gravamina, die Durchsetzung des Passauer Vertrages, die Wieder­herstellung des Friedens im Reich, die besorgniserregenden „welschen“ Praktiken und das durch die Okkupation von Metz, Toul und Verdun belastete Verhältnis zu Frankreich beraten werden sollte19). Der takti­sche Sinn dieses Vorschlages lag darin, den intendierten Konsolidierungs­prozeß dem Einfluß der kaiserlichen Regierung zu entziehen, weil man ihre Pläne, nicht nur was die Sukzessionsfrage anging, für reichsschädlich hielt und weil ihre Amtsführung, gemessen an den ,recht verstandenen1 Interessen des Reiches, als unzulänglich galt und sich daraus die Notwen­digkeit einer ständischen Ordnungsinitiative ergab. Anders als Pfalz und offenbar auch Trier, waren Mainz und Bayern für diese Konzeption nicht zu gewinnen, weil in ihrem verfassungspolitischen Verständnis die Be­handlung allgemein reichspolitischer Fragen von einer formal nicht auto­risierten Ständegruppe nicht usurpiert werden durfte20). Zum anderen wollte Herzog Christoph auf dem bevorstehenden schwäbischen Kreistag anregen, den Kreis zu einer schlagkräftigen Verteidigungsorganisation u) Vgl. Ernst Briefwechsel 2 423—430 n. 521, hier 424, und Druffel Beiträge 4 401—405 n. 396, hier 405. 18) Ernst Briefwechsel 2 423—430 n. 521, hier 424. i») Ebenda 2, 407—410 n. 502. 20) Vgl. Druffel Beiträge 4 383 n. 382; Ernst Briefwechsel 2 Anm. 1 und 2 zu 407—410 n. 502, hier 407 und 410; Instruktion Kurfürst Sebastians von Mainz für Gesandte zum Bruchsaler Bundestag, 1554 Januar 26 Steinheim: HHSTA MEA Reichstagsakten 25 fol. 114—121 v, hier fol. 118 v und Instruktion Herzog Albrechts von Bayern für Zenger und Perbinger zum Bruchsaler Bun­destag, 1554 Februar 25 München: HSTA München Kasten schwarz 5184 fol. 86—99, hier fol. 98 v.

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