Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 35. (1982)

WEILING, Franz: Die philosophische Lehranstalt in Brünn (1808–1849) und die österreichische Bildungspolitik jener Zeit. Ihre Bedeutung für die Entdeckertätigkeit Johann Gregor Mendels

126 Franz Weiling IV Als die Philosophische Lehranstalt in Brünn im Herbst 1820 mit Professoren aus den drei mährischen Ordensstiften besetzt wurde, fanden, wie bereits erwähnt, die beiden Lehrstühle für Mathematik und Physik zunächst nur provisorische Besetzung. Auf den Lehrstuhl für Physik und angewandte Ma­thematik wurde 1823 P. Friedrich Franz (1796-1860)41) vom Stift Neureisch berufen42). Franz, auf den Meinhard Schubert43) folgte, ging 1842 in dersel­ben Eigenschaft an das Staatliche philosophische Lyzeum nach Olmütz. Dort war im gleichen Jahr Mendel sein Schüler und durch Vermittlung von Franz, der bis dahin im Altbrünner Stift gewohnt hatte, ist Mendel dann 1843 in dieses Stift eingetreten44). - Über die erst 1824 erfolgte Besetzung des Lehr­stuhles für Reine Elementarmathematik mit einem Angehörigen des Altbrün­ner Stiftes wird weiter unten in anderem Zusammenhang berichtet werden. Welche Bedeutung der Phüosophischen Lehranstalt in Brünn damals beizu­messen war, geht aus folgenden Daten hervor: Dem Schreiben des Landes- gouvemeurs von Mähren an die Studien-Hofkommission vom 10. Juni 1819 zufolge betrug die Schülerzahl im Schuljahr 1818 278 (156 in Kurs I, 122 in Kurs II). Von den Absolventen träten nur 16 jährlich in das Brünner theolo­gische Seminar ein. Die an die Schüler gestellten Anforderungen seien nicht so hoch wie die im Philosophischen Lyzeum in Olmütz. Von den 236 Schü­lern des Schuljahres 1818/19 hätten 126 die Note I. Klasse, die übrigen 110 Schüler die Note II. resp. III. Klasse erhalten45). D’Elvert gibt für 1812 174, für 1819 abweichend von der eben genannten Zahl 260 Schüler an. 1828 habe die Zahl der Schüler der beiden Lehranstalten von Brünn und Nikols­burg (Mikulov) zusammen 471 und 1842 die von Brünn allein 219 Schüler betragen. Im Schuljahr 1842/43 habe Brünn mit 265 Schülern unter den 74 Phüosophischen Lehranstalten Österreichs (ohne Ungarn) die fünfstärkste Frequenz nach Prag (748), Wien (681), Lemberg (407) und Graz (297) aufge­wiesen46). Im Folgenden sei die Besetzung der Brünner phüosophischen Lehranstalt durch das Altbrünner Stift sowie das weitere Geschick dieser Lehrkräfte et­was eingehender verfolgt: a) Der 1820 zum Professor des Lehrstuhles für theoretische und praktische Philosophie bestellte Fulgentius Süsser wurde 1835 aus nicht mehr zu ermit­41) d’Elvert Zur Cultur-Geschichte 173; Franz Weiling Biographische Notiz über Friedrich Franz (zum Druck eingereicht im Archiv der Geschichte der Naturwis­senschaften, Wien). 42) StHK 372 ZI. 6471/1823. 43) Siehe Textabb. S. 115. 44) Hugo Iltis Gregor Johann Mendel. Leben, Werk und Wirkung (Berlin 1924) 18 f, 24. 45) Nach dem Schreiben des Landesgouverneurs von Brünn von 1819 März 4 an die StHK traten von den 236 Schülern des Schuljahres 1818/19 nur 23 „als die für die Brünner Diözes fixierte Anzahl in die Theologie über“: StHK 372 ZI. 1857/1819. 46) d’Elvert Geschichte der Studien-, Schul- und Erziehungsanstalten 353.

Next

/
Thumbnails
Contents