Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

WANNER, Gerhard: Die Spitzbergenfrage zwischen 1908 und 1912 und die k. u. k. Gesandtschaft in Stockholm

Die Spitzbergenfrage zwischen 1908 und 1912 283 sonow wolle zwar Krupenski nicht bloßstellen, habe jedoch die Osloer Be­schlüsse „ad referendum“ gelegt. Überhaupt scheine sich Rußland in der letzten Zeit recht wenig um die öffentliche Meinung in den skandinavischen Staaten zu kümmern: Man spreche von der Befestigung der Alands-Inseln, habe im Eismeer die Meilenzone erweitert, Nowaja Semlja, obwohl terra nul­lius, der norwegischen Fischerei verschlossen und plane nahe der norwegi­schen Grenze einen eisfreien Kriegshafen37). Graf Dumba bestätigte die Schwierigkeiten, welche die USA machten, und vermutete dahinter den Grubenbesitzer Longyear38). Taube informierte den Gesandten aber auch von den Widerständen der „Geheimräte in der Berliner Wilhelmstraße“. Diese hätten plötzlich auf Spitzbergen, nachdem die Kunde von den mächtigen, knapp unter der Oberfläche liegenden Kohlenflözen durchgedrungen war, Interessen entdeckt, von denen früher nie die Rede ge­wesen sei. Da sich Deutschland in den Vordergrund zu stellen beginne, ver­halte sich auch Rußland ab wartend und wolle von seinen früheren Versiche­rungen nicht mehr viel wissen. Der einzige Lichtblick in der Affäre sei frei­lich der „nähere Anschluß Schwedens und Norwegens, die bisher von Ruß­land gegeneinander ausgespielt wurden“39). Die folgenden Gesandtschaftsberichte des Jahres 1911 zeigen, daß der Standpunkt der amerikanischen Regierung wesentlich die Haltung der west­europäischen Großmächte beeinflussen sollte und daß vor allem Großbritan­nien nachgab. Dumba meinte, die europäischen Großmächte müßten endlich in Umkehrung der Monroe-Doktrin dem Präsidenten der Vereinigten Staaten ein kräftiges „Hands off“ zurufen, wozu aber das Londoner Kabinett kaum zu bewegen sei40). Daß auch Deutschland neben den USA größte Schwierig­keiten machte und vor allem juridische Bedenken erhob, verschwieg Dumba hingegen. Ab der zweiten Hälfte des Jahres 1911 läßt das Interesse Dumbas an der Spitzbergenfrage merklich nach. Der Gesandte schickte insgesamt nur noch zwei Berichte nach Wien, die sich außerdem nicht mehr auf Informationen aus schwedischen Regierungskreisen stützten, sondern lediglich deutsche und schwedische Zeitungsnotizen Wiedergaben. Wir erfahren, daß sich zwar keine Lösung abzeichnete, Norwegen aber trotzdem daran ging, seine Position be­harrlich auszubauen. Die kartographischen und geologischen Aufnahmen wurden fortgesetzt, und die norwegische Regierung entschied sich, eine drahtlose Telegrafenstation zu errichten, um amerikanischen Plänen zuvor­zukommen. Aber auch Rußland und Schweden waren nicht untätig und 37) Széchényi an Aehrenthal (Bericht 3), 1911 Februar 8 Kopenhagen: ebenda (Bei­lage zu Bericht 12 A-B, 1911 April 18). 38) Mathisen Svalbard 126. 39) Dumba an Aehrenthal (Bericht 5 A-B), 1911 Feber 13 Stockholm: HHStA GSt 154. 40) Dumba an Aehrenthal (Bericht 12 A-B), 1911 April 18 Stockholm: ebenda.

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