Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

DIENST, Heide: Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf nach dem Ende des Investiturstreites

20 Heide Dienst cius in presulum Laureacensium kathalogo descripsi, ubi et has XII ecclesias ex no­mine designavi“ 66). Mit diesem Satz erweist sich Ebendorfer als ein eifriger Sammler und guter Kenner der Quellen, er hat allem Anschein nach Zugang zu der Klosterneu­burger wie der Passauer Überlieferung gehabt. Die „Zwölfer“ zur Zeit Eben- dorfers waren nur zum Teil mit den „Dreizehnem“ von 1135 identisch: Die Pfarren Pulkau und Eggendorf wurden im späten 12. Jahrhundert an das Wiener Schottenkloster übertragen, vielleicht schon bei der Gründung 1155/61, Meisling dem Kloster Lilienfeld 1202/09, Alland dem Kloster Heili­genkreuz 1253, Klostemeuburg/St. Martin dem Stift daselbst 1135. Neu da­zugekommen waren die Pfarren Retz, Stillfried, Probstdorf, Hainburg67). Die „Zwölfer“ waren also im Laufe des ausgehenden 12. bzw. des 13. Jahrhun­derts zustandegekommen, ihre Einheit bestand in ihrer Eigenschaft als lan­desfürstliche Patronatspfarren und Kanzleipfründen68). Was Ebendorfer un­ter einem Sammelbegriff anführt, war eine Einheit des 13., nicht des 11. Jahrhunderts! Wolfs Ausführungen gipfeln in der Frage, ob denn nicht die Pfarrer der drei­zehn Pfarren das Kollegiatkapitel von Klosterneuburg gebildet haben könn­ten, ob denn nicht das Stift auf diese Pfarren gegründet gewesen sei. Er nimmt eine königliche Gründung im 11. Jahrhundert an; Markgraf Leopold habe durch die Regulierung 1133 zweierlei erreicht: selbst als Gründer zu gelten und die Einkünfte der dreizehn Pfarren an sich zu ziehen69). Wolf selbst ist sich bewußt, daß dieser Deutungsversuch nicht alle Fragen der Frühgeschichte Klosterneuburgs zu beantworten vermag. In mancher Hin­sicht hat dieses geschlossene Erklärungsmodell die Sicht auf die Realität ver­stellt, aber eines ist gewiß: Die Kanoniker waren - vielleicht nicht alle, aber sicher einige - Pfarrer. Wieweit sie die Seelsorge selbst ausgeübt haben oder sich durch einen Vikar vertreten haben lassen, wissen wir nicht. Ausübung und/oder Organisation der Seelsorge war Existenzgrund und wesentliche Pflicht von Kanonikatsstiften, deren es im 11. Jahrhundert viele gab, die aber auch im 12. Jahrhundert nicht immer und überall anachronistisch wir­ken mußten70). Oft bestanden sie aus zwölf Kanonikern und einem Propst. Hinweise auf personelle Identität von Pfarrern der 13 Pfarren und Kanoni­66) Thomas Ebendorfer: Chronica Austriae, ed. Alphons Lhotsky (MG SS rer. Germ.n. s.13, Berlin-Zürich 1967) 571 sq. Weitere Erläuterungen sind von Paul Uiblein zu erwarten, der eine Neuedition des Catalogus vorbereitet. 67) Wolf Klosterneuburg 101; zu der Schottendotation vgl. auch BUB 1 nn. 29-31. 68) Vgl. Heinrich Fichtenau Die Kanzlei der letzten Babenberger in MIÖG 56 (1948) 242 und zusammenfassend dsbe Das Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert (MIÖG Erg. 23 [1971]) 421. 69) Wolf Klosterneuburg 106. 70) Vgl. Heinrich Schäfer Pfarrkirche und Stift im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abhandlungen, hg. v. Ulrich Stutz, 3, 1903) 116ff, vgl. auch Friedrich Prinz in Hand­buch der bayerischen Geschichte, hg. v. Max Spindler, 1 (München 31975) 377ff, 382f. Manche Kollegiatstifte überdauerten bis in unsere Zeit, wie etwa Mattsee, das heuer sein 800-Jahr-Jubiläum feiert.

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