Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)

DIENST, Heide: Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf nach dem Ende des Investiturstreites

14 Heide Dienst In alle diese Überlegungen scheint auch der Inhalt einer undatierten Ur­kunde des Klosterneuburger Stiftsarchivs gut zu passen, durch die ein Kar­dinallegat Petrus von S. Maria in Via Lata dem Propst und den Kanonikern zugestand „ut si quando aliquis alicui vestrum ecclesiam aliquam conferre voluerit, liceat ei, cui confertur ecclesia, illam de prepositi et conventus li­centia recipere, ita tamen, ut eam teneat ad communem fratrum utilita­tem“43). Die von Fischer angenommene und von Brackmann „kanonisierte“ Beziehung auf einen Kardinal Petrus des oben genannten Titels, der 1145 und 1147 in Papsturkunden unterschrieben hat und dessen Nachfolger 1152 erstmals in Kardinalsunterschriften faßbar wurde, hat die Datierung dieses und eines gleichzeitigen zweiten Stückes, durch das dem Propst das Recht eingeräumt wird, den Krummstab zu führen, geistliche Gewänder zu weihen und Frauen zu absolvieren, die ihre Kinder erdrückt haben, zu „1147—52“ veranlaßt44). Diese Datierung wurde in der folgenden Literatur, wohl auf­grund der Autorität Brackmanns, übernommen; die Folgerung einer imbe­kannten Legation eines unbekannten Legaten wurde Anlaß zu weiteren Spe­kulationen45). Eine Überprüfung des Originals ergab nun allein aus paläo- graphischen Gründen - abgesehen von sonstigen Auffälligkeiten — die Un­möglichkeit dieser Datierung. Der nächste und für über ein Jahrhundert letzte Kardinal Petrus dieses Titels ist Petrus Capuanus, der im Winter 1196/97 zu einer Legation nach Böhmen und Polen aufgebrochen ist. Am 12. März 1197 traf er in Prag ein46). Da die nächste quellenmäßig belegte Station nach Breslau auf der Rückreise Schaffhausen war, ist eher anzuneh­men, daß Petrus vor seinem Aufenthalt in Prag in Klosterneuburg Station 43) Fischer Schicksale 2 146 n. 13; danach Schönsteiner Freiheitsbriefe 36 n. 9, der ohne Angabe von Gründen als Empfänger den Propst Marquard (1141-67), Bruder des Gerhoch von Reichersberg, ansieht. 44) Fischer hatte die beiden Stücke zwischen Urkunden von 1147 und 1162 einge­reiht; Brackmann Germ. pont. 1 249 nn. 5, 6; vgl. auch Barbara Zenker Die Mit­glieder des Kardinalskollegiums von 1130-1159 (phü. Diss. Würzburg 1964) 178 f; Jo­hannes Bachmann Die päpstlichen Legaten in Deutschland und Skandinavien (1125-1159) (Eberings Historische Studien 115, Berlin 1913) 99 f. Aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts ist lediglich eine Legation eines Kardinals Petrus von S. Maria in Via Lata bzw. S. Anastasia aus dem Jahr 1127 bekannt; vgl. dazu P. Luchesius Spät­ling OFM Kardinallegat Petrus im Pontifikat Honorius’ II. in Antonianum 38 (1963) 162-192 bzw. Zenker Mitglieder 70f. Abgesehen von der paläographischen Unmög­lichkeit, unsere Urkunden auf diesen Kardinal zu beziehen, war Klosterneuburg zu diesem Zeitpunkt ein Säkularkanonikatstift, während in den Urkunden ausdrücklich auf die Augustinusregel Bezug genommen wird. 45) Brackmann Germ. pont. 1 249: „Petrus inter a. 1147 et 1152 legatione functus esse videtur, sed hanc legationem ignoramus“; Classen Gerhoch 138 erwägt die Mög­lichkeit, daß Gerhoch nach dem schweren Ungamkrieg 1146 zum Begleiter eines Kar­dinallegaten ausersehen war, steht aber vor der Schwierigkeit, daß der „Bericht . . . doch einen unmittelbaren Auftrag des Papstes für Gerhoch“ hervorhebe. 46) Alle Belege bei Werner Male ezek Petrus Capuanus, Kardinal und theologi­scher Schriftsteller (f 1214). Studien zum Kardinalskollegium an der Wende zum 13. Jahrhundert (phü. Habüitationsschrift Innsbruck 1980, ungedr.) 54.

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