Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 34. (1981)
KLEINMANN, Hans-Otto: Die österreichische Diplomatie und die Anerkennung der amerikanischen Staaten
178 Hans-Otto Kleinmann amerikanischen Staaten durch Österreich dadurch völkerrechtlich anerkannt worden, daß die Notifikation des Amtsantritts eines Staatspräsidenten angenommen und mit einem kaiserlichen Schreiben beantwortet wurde. Durch die Notifikation wurde den Mächten, mit denen die neue politische Größe in der Völkergemeinschaft zusammenlebte, das Bestehen des neuen Zustandes zur Kenntnis gebracht, wobei es dann ihnen überlassen blieb, den angezeigten Sachverhalt als tatsächlich bestehend anzuerkennen, und das hieß: die an diesen Tatbestand geknüpften Rechts Wirkungen als verbindlich zu betrachten. Das Anerkennungsverfahren konnte aber auch in einen Vertrag eingeschlossen sein. Grundlegend für die europäische Staatengesellschaft insgesamt war das Westfälische Friedenswerk, das „eine ausdrücklich bestätigende, aktenmäßig und dokumentarisch verbriefte deklarative Anerkennung der an diesem Kongresse und Vertragsinstrumente teühabenden Staatswesen“ enthielt, und zwar als „Rechtssubjekte, die sich in diesem Bezüge einander nebengeordnet hatten, als Standesgenossen“16). Die völkerrechtliche Anerkennung war hier — wie etwa im Fall der niederländischen Republik - die Zuerkennung „außenpolitischer“ Rechts- und Handlungsfähigkeit. Diese Zuerkennung orientierte sich an der Faktizität der neuen politischen Größe, insofern sie sich als eine unabhängige Macht in dem von ihr beanspruchten Ordnungsbereich gegenüber den älteren, bereits länger existierenden Gewalten Geltung verschafft hatte und daher unangesehen aller sonstigen Rechtsbeziehungen und Rangverhältnisse für befähigt gehalten werden konnte, Bündnisse und Friedensverträge abzuschließen, Krieg zu erklären und zu führen, Gesandte zu empfangen und zu entsenden, unabhängige Herrschaft über Land und Leute auszuüben. Zumal in der neuzeitlichen Staatenwelt, die sich als eine Ordnungsgemeinschaft souveräner Einheiten aufbaute, war die Faktizität das Kriterium, das bei einem Auseinanderfallen von angestammt-verfassungsmäßigem Herrschaftsrecht und tatsächlicher Innehabung der Herrschaftsgewalt zur Verfügung stand und dazu dienen konnte, in den zwischenstaatlichen Beziehungen die Rechtssicherheit zu erhalten. Denn in dem Maße, wie sich im Zuge des neuzeitlichen Staatsbildungsprozesses die Absonderung und Transzendent- werdung einer höchsten, substantiell einheitlichen „Staatsgewalt“ vollzogen, wurde es immer entscheidender, ob und inwieweit der „Herrschaftstatbestand Staat“ nach der „Maßgeblichkeit der tatsächlichen Sachverhalte“, nämlich seiner Unabhängigkeit nach außen und der Sicherung des allgemeinen Friedens in seinem Innern, real vorhanden war17). So sind die Mächte zunächst dem Grundsatz gefolgt, daß die Faktizität der politischen Unabhängigkeit und Autonomie die „völkerrechtliche Qualität“ eines Staatsgebil16) Knubben Die Subjekte des Völkerrechts 63. Zur Bedeutung des Westfälischen Friedens in dieser Hinsicht auch Ernst-Wolfgang Böckenförde Der Westfälische Frieden und das Bündnisrecht der Reichsstände in Der Staat 8 (1969) 449-478. 17) Quaritsch Staat und Souveränität 1 483 und 511.