Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

SPRINGER, Elisabeth: Kaiser Rudolf II., Papst Clemens VIII. und die bosnischen Christen. Taten und Untaten des Cavaliere Francesco Antonio Bertucci in kaiserlichen Diensten in den Jahren 1594–1602

86 Elisabeth Springer ri-Aldobrandini und Pietro Aldobrandini, an die Spitze des Staatssekretaria­tes zu stellen. Am 17. September 1593 wurden sie zu Kardinälen ernannt; Cinzio erhielt San Giorgio in Velabro als Titelkirche und wird in der politi­schen Korrespondenz daher meist als Kardinal San Giorgio bezeichnet. Da er seinen Onkel auf der Polenreise von 1588 begleitet hatte, wurden ihm die Angelegenheiten von Polen, Deutschland und Italien übertragen, während Pietro für Frankreich, Spanien und Savoyen zuständig war42). Die bisherigen Geschäftsführer Minuci und Caligari wurden von den beiden politisch ambi­tionierten Kardinälen allmählich zur Seite gedrängt. Minuci war daher froh, daß er 1596 - hauptsächlich auf Betreiben der Signorie von Venedig - Erzbi­schof von Zara/Zadar wurde43). Zur Konkretisierung seiner Pläne über die Gewinnung der osteuropäischen Mächte für die Liga gegen die Türken ent­sandte Papst Clemens Ende November 1593 den Dalmatiner und Rektor der südslawischen Nationalkirche S. Girolamo in Rom, Alexander Komulowic, nach Siebenbürgen, Walachei, Polen und Rußland44). Bei Besprechung dieser Vorgänge muß ein Brief Bertuccis herangezogen wer­den, der ein bezeichnendes Licht auf dessen Charakter wirft und zeigt, wie er es verstand, alle Ereignisse auf sich persönlich zu beziehen. In einem sei­ner frühen Briefe an Kaiser Rudolf II.4S) erzählt Bertucci, er habe im Sep­tember 1593 dem Papst seine Pläne unterbreitet. Man könne nämlich einen grundlegenden Erfolg gegenüber den Türken verzeichnen, wenn man sich mit den Fürsten von Siebenbürgen, Moldau und Walachei verbünde. Dazu müsse man eine Volkserhebung der Christen in Albanien und Bosnien inszenieren; der erste Schritt - der Leser ahnt es bereits - wäre die Eroberung der un­einnehmbaren Festung1 Clissa! Der Papst habe sich von Bertucci überzeugen lassen und einen seiner Landsleute (nämlich Komulowic) als Legaten durch Osteuropa gesandt; hier zeigten sich auch schon erste Erfolge. Die Verwirkli­chung der weiteren Projekte Bertuccis aber sei durch den Kardinal von San Giorgio und Monsignore Minuci verhindert worden, denn diese hätten sich mit dem venezianischen Botschafter verbündet, welcher — so Bertucci — dafür mit einer größeren Geldsumme gewinkt hätte. Daraufhin habe der Papst diese Geschäfte dem Kardinal von San Giorgio und Monsignore Minuci weg­genommen und sie seinen Neffen, Kardinal Pietro Aldobrandini und Gian Francesco Aldobrandini, übergeben. Da an einer anderen Stelle dieses Briefes nochmals ein Kardinal von San Giorgio erwähnt wird — nämlich daß dieser brieflich mit der Verschwörer­gruppe Kontakt aufgenommen habe46) —, könnte an der ersten Stelle noch 42) Ebenda 36ff. 43) Ebenda 41. 44) Ebenda 203f; Bartl Westbalkan 47ff. 45) Bertucci an Rudolf II., 1595 Oktober 28 Prag: HHStA Ungar. Akten 356 fol. 59v (Or. Wien). 46) Ebenda fol. 57 r; fol. 31-34 eine Kopie dieses Briefes (alles Or. Wien), den Bartl Westbalkan 215 ff nach einer Abschrift aus dem Vatikanischen Archiv ediert.

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