Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 33. (1980)

SCHUBERT, Peter: Der österreichisch-italienische Gegensatz im Spiegel der Militärattachéberichte aus Bern (1908–1915)

Der österr.-ital. Gegensatz im Spiegel der Müitárattachéberichte 253 tarattaché William von Einem erhielt noch innerhalb der ersten beiden Kriegswochen von Generalstabschef Conrad den ausdrücklichen Befehl, das gemeinsame Handeln mit der Schweiz gegenüber Italien fortzusetzen35). Gleichzeitig begann Einem ein Agentennetz in Italien einzurichten, das bald ziemlich umfangreich werden sollte und das sehr rasch einen Großteil seiner Tätigkeit ausmachte: Bereits im August 1914 gab er vierzehn Berichte über Italien an seine Vorgesetzten Dienststellen weiter36). Aber auch die eidgenössischen Militärs verloren trotz der akuten Gefährdung im Dreiländereck Deutschland - Frankreich - Schweiz die italienische Ge­fahr nicht aus den Augen: So fragte Sprecher bei Einem an, ob Berichte über den Abtransport des XIV. und III. Armeekorps von der österreichischen Südwest-Grenze richtig seien, da Sprecher diese Frage für die „bevorste­hende italienische Mobilisierung“ und „für die Anordnung zur Sicherung der schweizerischen Südgrenze von größter Wichtigkeit“ hielt37). Conrad, der seinerseits durch Einem über die eidgenössischen Sicherungsmaßnahmen im Süden ebenso auf dem laufenden gehalten wurde wie über die internen Ver­hältnisse des Schweizer Offizierskorps38), antwortete umgehend, die notwen­digen Truppen seien zurückgeblieben, und gab den Auftrag, vertraulich und nach eigenem Ermessen von diesen Nachrichten Gebrauch zu machen39). Ungefähr zu gleicher Zeit erhielt Militärattachö von Einem aber auch noch einen vertraulichen Bericht aus der Schweiz über ein Gespräch zwischen dem italienischen Gesandten in Bern und dem für auswärtige Angelegenhei­ten zuständigen Bundesrat Hoffmann, der - den Zentralmächten zwar sehr zugetan40) - zur Sicherung der Schweiz die Kontakte zur Regierung in Rom intensivierte41): Und diese zeigte sich plötzlich an der Lösung der offenen Fragen äußerst interessiert, — denn bereits am 19. September tauschten Ita­35) KA Conrad an Militárattaché Bern, 1914 August 14, Res. Nr. 86 — laut Exhibi- tenprotokoll. Der Aktenbestand des Militarattachés in Bern wurde 1918/19 durch Oberst Berlepsch - und z. T. auch durch Oberst Ronge - „gereinigt“: Namen wurden ausradiert oder mittels Rasierklinge ausgeschnitten, andere Akten wurden gänzlich vernichtet, um Kompromittierungen unmöglich zu machen (KA Mil. Att. Bern „Schlußbericht“ 1919 August 23). Aus den vorhandenen Reservatregistern und Exhibi- tenprotokollen ist es jedoch - obwohl auch hier Namen entfernt wurden - durch Ver­gleich der Res.-Nummern etc. trotzdem möglich, verschiedene Namen zu eruieren und bei den vernichteten Akten zumindest das behandelte Thema zu erfahren. Wo die Ori­ginale fehlen, muß daher auf diese Dienstbücher zurückgegriffen werden, die auch ex­tra zitiert werden. 36) KA Mil. Att. Bem Res. Nr. 82, 87, 90, 91, 92, 93, 108, 110, 113, 115, 116, 118 - zum Teil laut Exhibitenprotokollen. 37) KA Mil. Att. Bern an Evidenzbüro und an AOK-Operationsabteüung, 1914 August 19, Res. Nr. 767. 38) 2. B. KA Mil. Att. Bern an Conrad, 1914 November 23 - laut Exhibitenprotokoll. 39) KA Conrad an Mil. Att. Bern, 1914 August 21. Staatstelegramm 385 (liegt bei AOK Operationsabteilung Res. Nr. 767). 40) Telegramm Musulin an Czernin (Abschrift von AOK Chef des Generalstabes an Mil. Att. Bern, 1917 Juni 26, Res. Nr. 2976). 41) KA Mil. Att. Bern an Conrad, 1914 August 15 und 1914 September 2, Res. Nr. 88 und 127 - laut Exhibitenprotokoll.

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