Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)
WINTER, Otto Friedrich: In memoriam Wilhelm Kraus
Nachrufe 491 und eine Fachbibliothek mit über 400.000 Bänden - ergaben, war nahezu erdrückend. Als Aufgaben stellten sich die Fortführung der organisatorischen Einfügung des Kriegsarchivs in das Österreichische Staatsarchiv, verbunden mit einer tiefgehenden inneren Umgliederung, die Reorganisierung des Personalstandes, die Überwindung der Spätfolgen des Krieges auf dem Sektor der baulichen und einrichtungsmäßigen Ausstattung, die Restaurierung beschädigten Archiv- und Bibliotheksgutes, die Bemühung um eine zeitgemäße technische Ausstattung, um nur das Wichtigste zu nennen. Ein solches Programm hätte ausgereicht, seine Fähigkeiten und seine Arbeitskraft voll ein- zufordern. Die Ansätze dazu und die Fortsetzung seiner archivwissenschaftlichen Arbeiten wurden zum Teil durch die wieder auflebenden Archivverhandlungen mit Jugoslawien, zur Gänze jedoch durch die vehement einsetzende Zunahme der administrativen Inanspruchnahme in den Hintergrund gedrängt. Die in diesen Jahren — in Österreich 1956 - beschlossenen Regelungen der Sozialgesetzgebung — namentlich der Anrechenbarkeit von Müi- tär- und Kriegsdienstzeiten für die Pensionsbemessung - brachten im Bereich der schon seit Jahrzehnten dem Kriegsarchiv auferlegten Ausstellung von Bescheinigungen über Dienstzeiten und Dienstlaufbahnen, Auszeichnungen, Lazarettaufenthalte bzw. Wehrdienstbeschädigungen, Militärgerichtsverfahren, Heimatzuständigkeit u. a. eine Steigerung unvorstellbaren Ausmaßes. Zu zehntausenden Bestätigungen über Dienstzeiten etc. in der k. u. k. Armee und der Kriegsmarine für Antragsteller aus Österreich, den Nachfolgestaaten der Monarchie und aus dem Kreis der Heimatvertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland und zu den an Zahl kaum geringeren Bestätigungen über Verleihung von Tapferkeitsmedaillen zwecks Nachweis des Anspruchs auf die gesetzlich neu geregelten Zulagen, weiter den Bestätigungen über Dienstzeiten im (1.) österreichischen Bundesheer (1918—1938) kamen die Bestätigungen für Österreicher, die im Zweiten Weltkrieg — bei deutschen militärischen oder diesen gleichgestellten Formationen oder in anderen Armeen — gedient hatten, einschließlich der Zeiten in Kriegsgefangenschaft oder Internierung. Die Durchführung der letztgenannten Aufgabe setzte voraus, die bei hunderten, verschiedensten Dienststellen seit 1945 meist unbe- treut lagernden Bruchstücke der militärischen Personalunterlagen im Kriegsarchiv zu sammeln und einer die Benützbarkeit ermöglichenden Ordnung zu unterziehen. Sie machte es ferner erforderlich, mit allen österreichischen und ausländischen Stellen, die über einschlägige Materialien, deren Abgabe an das Kriegsarchiv zunächst nicht möglich war, oder über Daten verfügten, Übereinkommen zu treffen, um die Heranziehung auch dieser Quellen zu sichern. Wilhelm Kraus hat sich dieser ungeheuren Herausforderung, deren die Existenz des Kriegsarchivs als Ganzes bedrohende Dimension alsbald erkennbar wurde, mit unerschütterlichem Optimismus und vollem persönlichem Einsatz gestellt. In einem Lebensalter, in dem andere in seiner Stellung eine gesicherte Position einnehmen können, 'hat er sich der ungewohnten Materie, deren sozialen Aspekt er zutiefst empfand, selbst — unter Hintansetzung von Urlaub und Freizeit — voll gewidmet und es aüch