Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)

HEINDL, Waltraud: Gedanken zur Edition „Die Protokolle des österreichischen Ministerrates (1848–1867)”

Protokolle des österr. Ministerrates 257 Sinn, Wesen und Funktion von Editionswerken herrschen2), soll vorerst zum Anlaß genommen werden, ähnlichen Fehlinterpretationen vorzubeugen. Diese Ausführungen sollen als zusätzliche Erläuterungen zu den bereits vorhande­nen Einleitungen verstanden werden; ihr Zweck ist es, den mit der Benüt­zung von Editionen nicht so vertrauten Lesern, die es anscheinend gibt, Wegweiser zu sein, — obgleich nachstehend gegebene Definitionen wahr­scheinlich gerade in dieser Zeitschrift Eulen nach Athen tragen bedeutet. Vertreter der germanistischen Sprachwissenschaft, in welcher die Editions­methode zu einer besonders differenzierten Disziplin ausgebildet wurde, ha­ben erst in jüngster Zeit grundsätzliche Überlegungen über moderne Edi­tionstheorie und -technik angestellt3). Da die historischen Editionsreihen ihre philologisch-kritische Methode in enger Anlehnung an die sprachwissen­schaftlichen entwickelten4), erscheint es legitim, verschiedene Erklärungen von hier zu übernehmen. „Die Editionswissenschaft“, so wurde definiert, „liefert Theologen, Juristen und Geisteswissenschaftlern Methoden und Techniken zur Präsentation von Wiedergebrauchstexten. Die Techniken sind nicht fachgebunden und gelten ebenso für die Reproduktion eines Gedichtes wie einer Rechnung“5). Das Unternehmen Die Protokolle des österreichischen Ministerrates hat sich die Aufgabe gestellt, eine geschlossene Aktengruppe aus dem Bestand des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien zu edieren. Es handelt sich also dar­um, Akten als „Wiedergebrauchstexte“ zu publizieren. Die Edition besteht jeweils aus den Texten der Protokolle, den erläuternden Kommentaren und den allgemeine Probleme klärenden Einleitungen. Diese Elemente bilden eine Einheit und können ohne einander nicht verstanden werden. Akten werden bekanntlich von maßgeblichen Fachleuten in der Literatur, deren Lektüre bereits für das historische Proseminar empfohlen wird, als „plurale Einheit“ von „in sich selbst unselbständigen Schriftstücken“ defi­niert, welche „die Verbindungslinien“ geben und — zum Unterschied von Ur­kunden - Entwicklungen anzeigen und in Verbindung miteinander „das Tau­ziehen zwischen verschiedenen Interessen und Rücksichten und Machtver­hältnissen“ durch den Geschäftsgang deutlich machen6). 2) Rezension von Peter Fischer über BandIII/1 (siehe Anm. 1) in MÖStA 30 (1977) 4911 3) Edition und Wirkung (= Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 5 H. 19-20, 1975). 4) Über die Heranziehung von Germanisten bei der geplanten Quellenveröffentli­chung zur brandenburgischen Geschichte vgl. Johannes Schultze Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe von Quellen zur neueren deutschen Geschichte in Blätter für deutsche Landesgeschichte 98 (1962) lf. 5) Winfried Woesler Funktion und Planung historisch-kritischer Ausgaben in Edition und Wirkung 13; kritische Gedanken zur Editionswissenschaft auch von Ro­bert Marichal La critique des textes in Charles Samarant (Hg.) L’histoire et ses méthodes (Encyclopédie de la Pléiade 11, Paris 1961) 1247-1340. 6) Ahasver v. Brandt Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die histori­schen Hilfswissenschaften (Stuttgart 41966) 126f. Mitteilungen, Band 32 17

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