Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)

BROUCEK, Peter: Der „Fall Bartels“. Zur nichtamtlichen österreichischen Militärhistoriographie über den Feldzug von 1859

Der „Fall Bartels' 213 Anregung für eine sehr wünschenswerte Geschichte der österreichischen Mi­litärgeschichtsschreibung vorgebracht werden74). In der einzigen Darstellung der Geschichtsschreibung im Kriegsarchiv, dem bereits zitierten Aufsatz Os­kar Regeles, wird gerade aufgrund der amtlichen Darstellung von 1859 er­klärt, die österreichische Kriegsgeschichtsschreibung hätte sich „allezeit in den Bahnen der Wahrheit, Korrektheit und einer oft unwahrscheinlichen Selbstkritik bewegt“. Man darf wohl behaupten, daß die vorliegenden Aus­führungen bewiesen haben, daß diese Feststellung unvollständig ist und ihr keineswegs uneingeschränkt zugestimmt werden kann, soll der wissenschaft­lichen Erkenntnis nicht manche Einsicht vorenthalten werden. Vielleicht liegt es daran, daß Regele, seine Ausführungen abschließend, eine Methode als richtig bezeichnet, „die in der Synthese zwischen Empfindung für die Ehre der Wissenschaft und gesunder Staatsraison zu einer von der Wissen­schaft gutgeheißenen Lösung führte“743). Der Verfasser glaubt nachgewiesen zu haben, daß Beachtung der Staatsraison — und des Korpsgeistes — bei der amtlichen, halbamtlichen und nichtamtlichen Historiographie im positiven wie im negativen Sinne damals derart überwog, daß von einem „Gutheißen“ heutzutage wohl nicht gesprochen werden kann. Es ergaben sich Wider­stände bei der Sammlung des schriftlichen und mündlich überlieferten Mate­rials, bei dessen Sichtung - und noch mehr bei der Darstellung. Ähnliche Beobachtungen wurden übrigens in jüngster Zeit bezüglich des Feldzuges 18 6 6 75) und des Ersten Weltkrieges publiziert76). Regele meinte schließlich (S. 743): Die ausgesprochen strategisch-operativ­taktische, organisatorische, technische und militärwirtschaftliche Kriegsge­schichtsschreibung bleibe nach wie vor die Domäne des Militärhistorikers. Hier soll nur davon die Rede sein, daß Regele für die Vergangenheit darunter den Offizier als Historiker versteht. Geht man nun z. B. von Leo Santifallers Forderung aus, der bei der Arbeit des Historikers wissenschaftliche Methode und wissenschaftliche Zielsetzung verlangte, so muß man dazu bemerken, 74) Damit ist nur die österreichische Militärgeschichtsschreibung des vorigen Jahr­hunderts im Rahmen des Generalstabes und - in etwas abgeschwächter Form - im Rahmen des Kriegsarchivs bis 1956 gemeint. Bezüglich allgemein gültiger Überlegun­gen zur heutigen Militärhistoriographie aus österreichischer Sicht vgl. Johann Chri­stoph Allmayer-Beck Die Militärgeschichte in ihrem Verhältnis zur historischen Gesamtwissenschaft in Österreichische Militärische Zeitschrift 2 (1964) 97-108; dsbe Ist Militärgeschichte heute noch zeitgemäß? ebenda 12 (1974) 257—261. 74a) Regele Geschichtsschreibung (wie Anm. 2) 7421 75) Kurt Peball 1866: Der Krieg und seine historische Symptomatik in Militärge­schichte, Militärwissenschaft und Konfliktforschung. Eine Festschrift für Werner Hahlweg... Zur Vollendung seines 65. Lebensjahres am 29. April 1977 (Studien zur Militärgeschichte, Militärwissenschaft und Konfliktforschung 15, Osnabrück 1977) 325-358. 76) Johann Christoph Allmayer-Beck Rezension von Richard Georg Plaschka — Horst Haselsteiner - Arnold Supp an Innere Front. Militärassistenz, Widerstand und Umsturz in der Donaumonarchie, 2 Bde (Wien 1974) in Österreichische Militäri­sche Zeitschrift 15 (1977) 353.

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