Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 32. (1979)

HÖFLECHNER, Walter: Anmerkungen zu Diplomatie und Gesandtschaftswesen am Ende des 15. Jahrhunderts

14 Walter Höflechner Das Chiffrenwesen war damals bereits weit fortgeschritten, - in Spanien so weit, daß man sich bald nach 1500 gezwungen sah, das mit römischen Zahlzeichen arbeitende System gegen das einfacher handzuhabende italienische System auszutauschen. Ein Beispiel für das italienische System gibt die nebenstehende Tafel, die (fol. 148v) die er­ste Seite der Chiffre für den mailändischen Gesandten Giovanni Francesco Sanseve- rino (Höflechner Gesandte 11.50), zeigt; diese Chiffre ist dem Chiffrenprotokoll des mailändischen Kanzlisten Francesco Tranchedino entnommen, das über 300 Schlüssel für die Jahre 1450—1496 enthält. Die Abbildung zeigt nach der Nennung des Korre­spondenzpartners und des Einsetzungsdatums das Alphabet mit den aus statistischen Gründen für die Vokale um einen Durchgang erhöhten Substitutionen, weiters die Zeichen ohne Bedeutung (oft auch mit dem Bemerken „quidquid positum fuerit inter haec duo signa xy nihil importabit“), die Chiffren für häufig vorkommende Silben, Worte und Bindungen sowie den Nomenklator, den Schlüssel für Namen und Sachen, der sich hier noch über eine weitere Seite erstreckt, die auch den Schlüssel für sonst leicht erkennbare Doppelbuchstaben („Duple“) enthält. Die Tätigkeit des Chiffrierens und des Dechiffrierens gehörte zu den zeitraubendsten und anstrengendsten Arbeiten des Gesandtschaftswesens, zahlreiche Stellen in den diplomatischen Korrespondenzen jener Zeit legen davon Zeugnis ab. — Eine Stufe höher stand das Dechiffrieren fremder Depeschen ohne Kenntnis des Schlüssels, das natürlich größte Bedeutung hatte und früh gelehrt und geübt wurde; vgl. Höflechner „Regule“ (wie Anm. 40), wo weitere Spezialliteratur angegeben ist. Weiters hatte man in vielen Ländern eine Abneigung gegen die ständigen Gesandten, die man nicht ganz zu Unrecht als Spione oder doch wenigstens als unerwünschte und dauernd fließende Informationsquelle ansah; so ver­hielt es sich in Rußland, bei den spanischen Königen und in Frankreich; Maßnahmen zur Überwachung der Gesandten, nicht nur der ständigen, und zur Abschirmung gewisser Bereiche gegen ihren Einblick hat es freilich überall gegeben29). — Überhaupt muß gesagt werden, daß bis in das 16. Jahr­29) Diese Einschätzung widerfuhr natürlich nicht nur den ständigen, sondern allen Gesandten. Sie beruht darauf, daß die Konstituenten ja selbst ihren Gesandten aufer­legten, möglichst detaillierte Informationen über das Land des Adressaten und seine Person zu sammeln und zu übermitteln; wenn eben in Venedig türkische Gesandte er­schienen, dann interessierten sie sich sehr für den Schiffsbau etc., ebenso wie die Ve­nezianer an der Pforte. Als ein Beispiel, was Information - nicht Spionage im moder­nen Sinne - sein konnte, sind die venezianischen Relationen und Depeschen anzuse­hen; man lese aber auch den mehr als zehn Druckseiten langen Bericht des spanischen Gesandten Don Pedro de Ayala aus Schottland, der eine komplette Landesbeschrei­bung bis zur Kleinviehhaltung hinab beinhaltet: Bergenroth n. 210. - Die schärfsten Gegenmaßnahmen wurden in Moskau und an der Pforte ergriffen, wo die Gesandten meist zwar ehrenhaft, aber dennoch vielfach wie Gefangene durch eine ständige Be­gleitung völlig von der Umwelt isoliert wurden, ja froh sein mußten, wenn sie nicht im Falle einer Gesandtschaft voneinander getrennt wurden. Dergleichen Fälle sind im Westen nur vereinzelt vorgekommen, etwa als Karl VIII. den spanischen Gesandten Don Alonso de Silva im Quartier fest- und unter Druck setzen ließ: Höflechner Die Gesandten n. 20.49; generell zu diesem Thema auch Otto Krauske Beiträge zur Ge­schichte der ständigen Diplomatie (Diss. Berlin 1884) 18 ff (in etwas veränderter Form und unter dem Titel Die Entwicklung der ständigen Diplomatie vom fünfzehnten Jahrhundert bis zu den Beschlüssen von 1815 und 1818 in Staats- und socialwissen­schaftliche Forschungen, hg. von Gustav Schmoller 5, 3 [Leipzig 1885]). - Es ist klar, daß in vielen Fällen die Gesandten durch Spitzel und Spione weit über die normale Informationsbeschaffung hinausgegangen sind; dies war auf Grund der Zeit, die der Aufbau eines solchen Dienstes erforderte, eher eine Sache der ständigen oder doch

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