Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Gottfried MRAZ: Die Bedeutung des „Anschlusses“ für die Beurteilung des Nationalsozialismus durch die römische Jesuitenzeitschrift „Civiltä Cattolica“

512 Gottfried Mraz müsse sich jedoch, so forderte er, ein sich katholisch nennendes Blatt jeder Form der Verteidigung eines antichristlichen Geistes und seines heidnischen Symbols, des Hakenkreuzes, enthalten48). Dieser Artikel in der Katholischen Aktion veranlaßte Rosa zur Unterschei­dung von drei Irrtümern im nationalsozialistischen Gedankengut. Der erste lag für ihn in dem Verwirrung stiftenden Bekenntnis des Nationalsozialismus zu einem angeblichen „positiven“ Christentum. Denn die durch die Hitler­bewegung ausgelöste religiöse Revolution sei „piü profonda e radicale, piü nemica di Roma, del suo diritto, della sua civiltä cristiana, che non quella della falsa Rif orma di Lutero e di Calvino!“49). Der zweite Irrtum machte für Rosa das Wesen dieser neuheidnischen Weltanschauung aus: Es war der Ma­terialismus, der sich im Nationalsozialismus als Rassismus äußerte50). Der dritte Irrtum, „meno generale, ma del pari anticristiano“, betraf die Behand­lung der jüdischen Frage durch die braunen Gewalthaber51). Die brutale Verfolgung der österreichischen Juden, die mit dem Anschluß einsetzte, war in dem bereits mehrfach erwähnten Artikel in der Katholi­schen Aktion als ein der göttlichen Vorsehung wohlgefälliges Werk gerecht­fertigt und gelobt worden. Dies rief den Widerspruch Rosas hervor, und zum ersten Mal wurde in der Civiltä Cattolica, verursacht durch die Geschehnisse in Österreich, eine direkte Stellungnahme zur Judenverfolgung in Deutsch­land abgegeben. Wenngleich Rosa bereit war, eine Reihe von Gründen, die die nationalsozialistische Propaganda zur Rechtfertigung anzuführen pflegte, anzuerkennen, und wenngleich er in diesem Zusammenhang auf den Haß der Juden gegen die christliche Religion und den Papst und auf die Unterstüt­zung, die angeblich das Judentum der Freimaurerei und anderen subversiven Kräften gewährt habe, hinwies, so fand er trotz seiner von größten Vorurtei­len belasteten Haltung, daß alle Gründe das jeder Rechtsnorm hohnspre­chende Vorgehen der Nazis nicht rechtfertigen könnten; er sprach von einem „brutale procedimento senza forma giuridica“52). Wohl seien der staatlichen Autorität Maßnahmen zur Beseitigung von Übelständen zuzugestehen, doch könne eine ungerechte und gewalttätige Menschenjagd auf Schuldige und Unschuldige unter dem Titel der Rache und der Repressalie von Christen niemals gebilligt werden; Vergehen von Juden, so führte Rosa aus, „non giu- stificano punto, . . . Ia ingiusta e violenta cacciata di tutti insieme, colpevoli e innocenti“53). Noch einmal ging die Civiltä Cattolica im Jahre 1938 theoretisch auf den na­tionalsozialistischen Antisemitismus ein, und zwar in der anonymen Rezen­sion eines in der Schweiz publizierten Buches über die Grundprobleme der 48) CC 1938-11 405. 49) CC 1938-11 407. 50) CC 1938-11 407-410. 51) CC 1938-11 410-412. Vgl. Mraz Kirche 1341 52) CC 1938-11 410f. 53) CC 1938-H 411.

Next

/
Thumbnails
Contents