Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas
Hans WAGNER: Die Lombardei und das Freimaurerpatent Josephs II. von 1785
150 Hans Wagner nicht im einzelnen nachzuweisen, aber sehr wahrscheinlich, da sich Feßler in Wien vor allem bei Ignaz von Born Rat geholt hat56). Der Kern der Reformer ist in den beiden bedeutendsten Wiener Logen, in der „Gekrönten Hoffnung“ und deren Tochterloge, der „Wahren Eintracht“, zu suchen. Am tiefsten war wohl die „Wahre Eintracht“ durch Born in die Reform verwickelt. Das geht auch aus dem Umstand hervor, daß Fürst Dietrichstein am Anfang des Jahres 1786 zur „Wahrheit“, der Nachfolgeloge der „Wahren Eintracht“ übertrat, die ihre Arbeiten dann bald einstellte, während die „Neugekrönte Hoffnung“, die Nachfolgeloge der „Gekrönten Hoffnung“, noch einige Jahre florierte57). In der „Wahren Eintracht“ hat sich mit Sonnenfels, Born, Alxinger, Blumauer und anderen auch der Kern der Wiener Illuminaten zusammengefunden, der die Entwicklung in Bayern mit Besorgnis betrachtete58). Die bayerische Forschung ist sich darüber einig, daß der Sturz des Illuminatenordens in Bayern wesentlich mit den Tauschverhandlungen zusammenhängt, die zwischen Joseph II. und Kurfürst Karl Theodor um Bayern und die österreichischen Niederlande geführt wurden. Die Mehrzahl der bayerischen Illuminaten hat sich im Hinblick auf die Einstellung Josephs II. für die österreichische Herrschaft entschieden, sie wurde deshalb von einer Minderheit, die für die Selbständigkeit Bayerns eintrat, bekämpft und verraten59). Da Sonnenfels bei Joseph II. nicht in Gunst stand, ist die führende Rolle bei der Freimaurerreform wohl Ignaz von Born zuzusprechen, über dessen hervorragende Stellung in der Wiener Freimaurerei viele Zeugnisse vorhanden sind, am eindrucksvollsten und unmittelbarsten in den Aufzeichnungen Georg Friedrich Forsters und des Dänen Friedrich Münter im Sommer und Herbst 17 8 4 60). Ferner ist in der „Wahren Eintracht“ durch die erhaltenen Logenprotokolle eine gezielte Aufnahme bedeutender Persönlichkeiten festzustellen, die dem normalen Ausbau einer Loge nicht entspricht. Dazu kommt noch eine große Anzahl von Affiliationen aus anderen Logen, so daß Born stets eine große Mehrheit für seine Reformabsichten besaß. Was zunächst Staunen erregt, nämlich die Aufnahme und rasche Beförderung von in Wien weilenden Auswärtigen, erweist sich bei näherem Zusehen als gezielte Förderung der Reform in den Provinzlogen. Dieser Prozeß beginnt in der „Wahren Eintracht“ sehr bald nach der Affiliation Borns, der bereits vier 56) Peter F. Barton Ignatius Aurelius Feßler. Vom Barockkatholizismus zur Erweckungsbewegung (Wien—Köln-Graz 1969) 148 ff. 57) Protokoll der Loge „Zur Wahrheit“: Vertrauliche Akten 78 (alt 121). 58) Zu den Illuminaten in Österreich vgl. jetzt Edith Rosenstrauch-Königsberg Freimaurerei im Josephinischen Wien. Aloys Blumauers Weg vom Jesuiten zum Jakobiner (Wiener Arbeiten zur Deutschen Literatur, hg. von Herbert Seidler und Werner Welzig, 6, Wien-Stuttgart 1975) 56ff. 59) Hammermayer in Handbuch der bayerischen Geschichte 2 1030f und 1050ff. 60) Georg Forsters Tagebücher, hg. von Paul Zincke und Albert Leitzmann (Deutsche Literaturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts, 3. Folge 29, Berlin 1914) und Frederik Münter. Et Mindeskriß (Aus den Tagebüchern Friedrich Münters) 2, hg. von ©jvind Andreasen (Kebenhavn og Leipzig 1937).