Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Georg WACHA: Italienische Zinngießer nördlich der Alpen

Italienische Zinngießer nördlich der Alpen 119 So kann zusammenfassend festgestellt werden, daß am Ende des 18. Jahr­hunderts und speziell im 19. Jahrhundert die-Zahl der seßhaften italienischen Zinngießer wesentlich angestiegen ist. Sicher gab es auch damals noch wan­dernde Zinngießer, die als Umgießer von Zinnsachen, vielleicht auch als Ge­schirrflicker66) im Lande herumzogen. Im Jahre 1875 (nach einem Handels­abkommen mit Italien) wurde durch Erlaß die Behandlung der italienischen Zinngießer in Österreich geregelt; demnach fielen sie nicht unter die Be­stimmungen des Hausierhandels, sondern waren zu behandeln wie Seiltän­zer, Kesselflicker usw., der Ausweispflicht unterworfen und verpflichtet, Er­werbssteuer zu entrichten67). Im 19. Jahrhundert nahm die Verwendung von Zinn im allgemeinen stark ab. Die Übermacht des Porzellans war zu stark, die Zahl der Zinngießer vermin­derte sich, auch die Möglichkeit des Hausierhandels mit Zinn und Zinngerä­ten wurde stark eingeschränkt. Es waren also sicher nicht die italienischen Zinngießer, die bei dem Plan eines eigenen italienischen Viertels für Wien 1858 maßgeblich beteiligt waren. Es sollte von italienischen Baumeistern mit italienischen Aufschriften, Gasthöfen, Kaffeehäusern, einem Korso usw. ein eigenes Stadtviertel entstehen68). Die Zahl der Italiener in Wien hat in den letzten hundertfünfzig Jahren ständig abgenommen. Zwar sind die Angaben nicht eindeutig, in einem Fall wird nur allgemein von einer geringen Zahl in Wien gesprochen69), im ande­ren Fall heißt es, daß die heutige italienische Kolonie nur ein Schatten der früheren wäre, daß sie etwa zweihundert Köpfe zähle, darunter 15 Kaufleute, 60 Gefroreneserzeuger und 50 Scherenschleifer neben Industrievertretern und ähnlichen Berufen70). Die Statistik nach dem Ergebnis der Volkszählung vom 1. Juli 1951 führt unter Staatszugehörigkeit Italien 718 männliche, 689 weib­liche, zusammen also 1407 Personen an71). Die Minoritenkirche in Wien bil­det das religiöse Zentrum und gilt als italienische Nationalkirche, hatte man doch die benachbarte kleine Nationalkapelle der hl. Katharina, 1773 der ita­lienischen Nation für ihre religiösen Versammlungen übergeben, im Jahre 66) Vgl. Paul Hugger und Hans Marti Ein „Beckibüetzer“ (Geschirrflicker) aus dem Napfgebiet (Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde, Abteilung Film, Reihe: Altes Handwerk 31, Basel 1972). 67) Ernst Mayrhofer’s Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst 6 (Wien 1900) 1120. 68) Rudolf Till Ein Plan der Gliederung Wiens in Nationalitätenviertel in Wiener Geschichtsblätter 10 (1955) 73-76 (nach Ostdeutsche Post n. 77 von 1858 April 4). 69) Gustav Otruba - L. S. Rutschka Die Herkunft der Wiener Bevölkerung in den letzten hundertfünfzig Jahren in Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 13 (1957) 2551 70) Karl Treimer Sprache und Bevölkerungsströme, ebenda 15/16 (1959/60, 1961) 275ff; Monika Schwingenschlögl in Österreich in Geschichte und Literatur 21 (1977) 365ff. 71) Gustav Krall Die gesellschaftsbiologische Struktur der Stadt Wien nach dem zweiten Weltkrieg in Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts, hg. v. Ferdinand Lett- mayer (Wien 1958) 426.

Next

/
Thumbnails
Contents