Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 31. (1978) - Festschrift für Richard Blaas

Rudolf NECK: Vorrede

2 Vorwort Theologie aufgenommen hatte, wurde das dortige Jesuitenkollegium von den neuen Machthabern geschlossen; er setzte daher in den Jahren 1940 bis 1942 seine Studien an der theologischen Fakultät der Universität Wien fort und besuchte daneben auch Lehrveranstaltungen an der philosophischen Fakul­tät, vor allem in dem Fach Geschichte, aber auch für deutsche und italieni­sche Philologie. Noch vor der Erlangung der höheren Weihen erfolgte 1942 einvernehmlich sein Austritt aus dem Jesuitenorden; nunmehr widmete er sich ausschließlich seinen Studien an der Wiener philosophischen Fakultät. Allerdings nur kurze Zeit. Blaas hatte, gemeinsam mit Eltern und Geschwi­stern, nur unter Druck und widerwillig als Südtiroler für Deutschland op­tiert und die alte Heimat verlassen. Demzufolge wurde er im Februar 1943 zum Waffendienst bei der deutschen Wehrmacht eingezogen. Wer ihn kennt, wird sich nicht wundern, daß ihm eine glänzende militärische Laufbahn nicht beschieden war. Er diente bloß wenige Wochen, und zwar als Dol­metsch, im Kriegsgebiet in Italien und geriet bereits Ende September, nicht zuletzt infolge seiner Kurzsichtigkeit, in britische Gefangenschaft. Über Nordafrika wurde er in ein Kriegsgefangenenlager nach England eingeflogen. Hier betätigte er sich für die Befreiung Österreichs von der nationalsoziali­stischen Herrschaft, unter anderem auch in antifaschistischen Propaganda­sendungen bei Radio London. Als er Ende April 1946 aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte, nahm er sofort seine Studien am Institut für österreichische Geschichtsforschung auf, dessen neue Lehrkräfte er bereits kannte. So war er schon früher mit Al- phons Lhotsky, aber auch mit seinem engeren Landsmann aus Südtirol Leo Santifaller persönlich befreundet. Unter ihrer Leitung vollendete nun Blaas sein Geschichtsstudium zunächst mit einer Dissertation bei Lhotsky über Thomas Ebendorf er. Im Dezember 1946 fand seine Promotion zum Doktor der Philosophie statt, und im Juni 1948 bestand er die Prüfung am Institut für österreichische Geschichtsforschung nach Fertigstellung einer schriftli­chen Hausarbeit über die Regesten Heinrichs III. Schon im Februar 1948 war Blaas in das Wiener Haus-, Hof- und Staatsar­chiv eingetreten, dessen stellvertretender Leiter er im November 1951 provi­sorisch, 1953 definitiv wurde. Seit 1957 bis Anfang 1976, fast zwei Jahrzehn­te, war Blaas dann Leiter bzw. Direktor dieses weit über die Grenzen unse­res Landes bekannten und berühmten Archivs. Seine Leitung zeichnete sich aus der Sicht seiner Mitarbeiter durch eine herzliche, kollegiale und mensch­liche Atmosphäre aus. Seine Dienstlaufbahn entsprach übrigens keineswegs seiner verantwortungsvollen Stellung. Erst im Jahre 1965 wurde er Ober­staatsarchivar (später Archivoberrat) und 1971 wirklicher Hofrat. Anfang 1976 wurde er vom Bundeskanzler zum Generaldirektor des österreichischen Staatsarchivs ernannt. Als Archivar hat Blaas am Haus-, Hof- und Staatsarchiv vor allem die schwierige, unübersichtliche Materie der Botschafts-, Gesandtschafts- und Konsulararchive betreut und der Forschung erschlossen. Über das ge­schichtswissenschaftliche Interesse am Archivale an sich hinaus hat ihn aber

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