Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

Rezensionen

Rezensionen 567 zusetzen ist mit der Interpretation des Risorgimento, in die jene über­geht. Erst „das neue geistige und politische Klima nach dem Zweiten Weltkrieg“ (S. 10) ließ die Überwindung des „nationalen Egozentrismus“ zu (S. 11). In Österreich hingegen gab es, wie Wandruszka feststellt, im strengen Sinne vor den Zwanzigerjahren keine Historiographie der neue­ren Geschichte Italiens, da die wenigen Werke dieser Thematik mehr eine „tagespolitische“ und „volksbildnerisch-populärwissenschaftliche“ Zielsetzung aufwiesen (S. 15). Der Grund lag einerseits im Selbstver­ständnis der österreichischen Geschichtswissenschaft, für die die napoleo- nische Zeit und der Wiener Kongreß eine zeitliche Barriére darstellten, andererseits im Bild der deutschen Historiker von Italien als dem Land der Vergangenheit, das mit dem Sacco di Roma und dem Untergang von Florenz jedes wissenschaftliche Interesse verloren hatte. Weiters dürfte auch der in Österreich lange Zeit weitverbreitete Italien-Haß, das „Ma- chiavelli-Klischee“, wie es Wandruszka nennt, eine wichtige Rolle ge­spielt haben. Leo Valiani muß für die italienische Historiographie die­selbe „Fehlanzeige“ feststellen wie Wandruszka für die österreichische Seite. — Dem Hauptproblem der italienisch-österreichischen Beziehungen auf der Friedenskonferenz von St. Germain, dem Südtirolproblem und seinen Determinanten (amerikanische Kriegszielpolitik, amerikanisch-ita­lienische und amerikanisch-österreichische Beziehungen während des Krie­ges) wendet sich Angelo A r a in seinem Beitrag Die Vereinigten Staa­ten zwischen Italien und Österreich (S. 47—60) zu. Aras Bemühen um Objektivität ist anerkennenswert, wenn auch festgehalten werden muß, daß die Bedeutung der vierzehn Punkte Wilsons für die österreichisch­italienischen Beziehungen nicht durch den Hinweis auf deren Propaganda­funktion negiert werden kann (S. 51). Hervorzuheben ist die Heranzie­hung teilweise noch unbekannten Materials aus den National Archives der USA. — Für General Luigi M o n d i n i stellt sich die Gefangennahme der österreichisch-ungarischen Truppen an der Südfront in seinem Auf­satz Der Waffenstillstand von Villa Giusti und seine Folgen als ein „gro­ßes Mißverständnis“ dar (S. 61—81), was von Ludwig J edlicka Der Waffenstillstand von Villa Giusti in der österreichischen Geschichtsschrei­bung (S. 83—99) an Hand der Studien seiner Schüler Ingrid Raabe und Bruno Wagner über den Waffenstillstand bestätigt wird. Besonders durch die Forschungen von Raabe konnte Klarheit über die Abhängigkeit der italienischen militärischen Führung vom Alliierten Kriegsrat geschaffen werden, die schon lange vermutet wurde (S. 85). Jedlicka gibt im weiteren einen eingehenden Literaturbericht über Forschungen zu diesem Thema, vornehmlich aus seiner Wiener zeitgeschichtlichen Schule. — Hanns Haas beschäftigt sich im folgenden Beitrag mit Österreichisch-italienische Be­ziehungen von Villa Giusti bis Saint Germain (S. 101—118), schränkt dieses Thema jedoch in Erkenntnis seiner weitführenden und komplexen Proble­matik auf die „wirtschaftlichen Hintergründe der diplomatischen Aktio­nen“ ein und zeigt damit die Notwendigkeit einer noch ausstehenden Untersuchung über die nationalen Wirtschaftssysteme Österreichs und Italiens für die Jahre 1918/19 zur Analyse der außenpolitischen Program­me auf. — Frederico Curato wendet sich hauptsächlich dem Südtirolpro­blem auf der Friedenskonferenz unter dem viel weiterführenden Titel

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