Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)
Rezensionen
510 Literaturberichte men, „daß die Einrichtung einer evangelischen Landeskirche in Niederösterreich zu jedem Zeitpunkt scheitern mußte“. Er dürfte — soweit man dies später überhaupt sagen kann — recht haben. Gerade bei den letzten Abschnitten des Buches fällt eine oft fast juristische Sicht der Zusammenhänge auf, eine Tatsache, die wohl den Kenner der Verhältnisse nicht verwundern wird! War doch angefangen von den frühen kaiserlichen Mandaten gegen den Protestantismus über den entscheidenden Augsburger Religionsfrieden von 1555 und die Religionskonzession Maximilians II. von 1568 bis schließlich zur Kapitulationsresolution Matthias’ von 1609 ein ganzes Netz juristischer Bestimmungen über das Schicksal des österreichischen Protestantismus gespannt, die der Macht als Instrument zur Einengung, Beschränkung, aber schließlich auch zum Abwürgen jedes evangelischen Lebens dienten. R. hat sein Thema in sehr knapper, stark komprimierter Form gemeistert und die Problematik in klarer, sauberer Sprache dargestellt. Dem Text steht ein umfangreicher Apparat zur Seite, der außer Belegen eine Fülle von Ergänzungen und Anregungen enthält. Sein Buch stellt in der evangelischen kirchengeschichtlichen Literatur einen bedeutenden Fortschritt in Erkenntnis und im Modus dar. Denn es ist dieses Buch von einer außerordentlichen Sachlichkeit gekennzeichnet, die keine Verzerrungen durch Emotionen kennt, und das Ganze in wohltuender Ruhe — fast nüchtern — zu betrachten bestrebt ist. Hans Sturmberger (Linz) Günter Christ Praesentia Regis. Kaiserliche Diplomatie und Reichskirchenpolitik vornehmlich am Beispiel der Entwicklung des Zeremoniells für die kaiserlichen Wahlgesandten in Würzburg und Bamberg (Beiträge zur Geschichte der Reichskirche in der Neuzeit 4). Franz Steiner Verlag GmbH., Wiesbaden 1975. XXV, 312 S. Dem Verhältnis zwischen Reichsoberhaupt und geistlichen Reichsfürsten kam, vornehmlich für die Innenpolitik, in allen Phasen der Reichsgeschichte eine wesentliche Bedeutung zu. Dies gilt schon im Hochmittelalter für das „ottonische Reichskirchensystem“ und die zähe Behauptung der königlichen Gerechtsame im Investiturstreit, ebenso vom Spätmittelalter an für die Einbeziehung der Besetzung der reichsfürstlichen Pfründen in die Hausmachtpolitik der Herrscherfamilien. Einen besonderen Aspekt erhielt diese Beziehung durch die Auswirkungen der Reformation auf das Reichsgefüge, innerhalb dessen die katholischen Herrscher aus dem Hause Habsburg in gesteigertem Maße auf die Unterstützung der Inhaber der verbleibenden geistlichen Reichsfürstentümer angewiesen waren. Dieses Grundelement der Reichspolitik kam nach dem Westfälischen Frieden im „immerwährenden Reichstag“ zu Regensburg in der Zusammensetzung des kurfürstlichen, aber auch des fürstlichen Kollegs mit den beiden Parteien „corpus catholicorum“ und „corpus evangelicorum“ vermehrt zur Geltung. Seit den Vierzigerjahren des 18. Jahrhunderts bildete der konfessionelle Dualismus mehr und mehr die Basis für den Antagonismus Österreich-Preußen auf dem Sektor der Reichspolitik, nur