Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

MATSCH, Erwin: Die Auflösung des österreichisch-ungarischen Auswärtigen Dienstes 1918/1920

Die Auflösung des Auswärtigen Dienstes 315 daß meine beiden Buben aus ihrer Laufbahn herausgeschleudert wurden, ohne irgend eine Aussicht, was aus ihnen werden soll — all das ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen und ich habe das Gefühl, in den letzten Monaten um zehn Jahre gealtert zu sein. Und wie vielen geht es ähnlich! Tief traurige Zei­ten sind’s, die wir durchleben und die — ich fürchte — nicht so bald zum besseren sich wenden werden. Ja, es kann ja wohl noch schlimmer kommen. Nach Wien fahre ich nicht — habe dort nichts zu tun. Will mir auch den kummervollen Anblick ersparen, der sich ja auf Schritt und Tritt darbietet. Und dann könnte ich schon aus finanziellen Gründen nicht an einen Aufent­halt dort auch nur denken. Tempi passati! Du mußt auch wahrscheinlich nicht auf Rosen gebettet sein! Habe viel an Dich gedacht, seitdem Du diese Dornenkrone trägst. In herzlicher Freundschaft Dein treu ergebener Carl Braun fi8). 2) Or. HHStA Nachlaß Flotow 3 fol. 604 f. Lieber Freund! Tachau (Böhmen), 27. Oktober 1919. Schon so lange bin ich Dir einen Dank für die freundlichen Zeilen schuldig, mit welchen Du so gütig warst, mein Pensionsdekret zu begleiten. Die treue kollegiale Gesinnung, die aus denselben spricht, hat mich tief berührt und ich bitte Dich die Versicherung entgegen zu nehmen, daß ich dieselbe nicht nur von ganzem Herzen erwidere, sondern auch zeitlebens festhalten will. Die wenigen Worte, welche Du über Deine derzeitige Tätigkeit äußerst, bestä­tigen mir, was ich oft und oft im Gedanken an Dich und die Dich noch umgebenden alten Freunde und Kollegen empfunden, und dennoch fasse ich Dein Wirken nicht nur als Akt der Pietät gegenüber unserer großen Ver­gangenheit und als Liebesdienst für so viele, die aus einer gesicherten Le­bensbahn in unserem Kreis gerissen, mm einer ungewissen Zukunft entgegen­gehen, auf, sondern als treue Pflichterfüllung, wie sie bei uns heimisch war und wie ich sie heutzutage fast nirgends mehr sehe, wo jeder nur herrschen, im besten Fall, wenn schon dienen, sich selber dienen will. Solche Pflichter­füllung, wo sich Gelegenheit dazu bietet, ist alles, was wir heute tun können, selbst über das Grab hinaus, bis neues Leben, so Gott will, aus den Ruinen sprießt. Mit vielen herzlichen Grüßen und in alter aufrichtiger Freundschaft Dein treu ergebener F[riedrich] Szápáry68 69). 3) Or. HHStA Nachlaß Flotow 1 fol. 17—22. Verehrter Freund! Kahlsberg—Salzburg, 23. August 1919. Der Inhalt Deines so freundlichen Briefes vom 17. 1. M. war mir keine Über­raschung. Ich war schon lange darauf gefaßt und kann Dir nur danken, daß es Deinen Bemühungen gelungen ist, den Moment der Pensionierung so lange hinauszuschieben. 68) Carl Freiherr von Braun: 1913—1918 k. u. k. Gesandter am königlich sächsischen Hof. 69) Friedrich Graf Szápáry: letzter k. u. k. Botschafter am kaiserlich russi­schen Hof.

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