Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30. (1977)

RILL, Gerhard: Zur Geschichte der österreichischen Konsulargerichtsbarkeit in Bosnien

170 Gerhard Rill tovié, einem bekannten Gewalttäter»9), der in Abwesenheit der Lokalbehörde das Richteramt ausübt. Dieser „wollte gar nichts davon wissen“. Perié geht nun selbst zu seinem Konkurrenten und nimmt diesem „Maß und Branntwein“ ab; er läßt dies Surotovié melden, der hierauf den Branntwein fordert. Auf die Weigerung des Händlers erscheint der Tschausch mit neun Panduren und fragt Perié, mit welchem Recht er Pistolen trage und ob er eine Teskere be­sitze. Als der Befragte seine österreichische Matrikel vorweist, reißt Surotovié diese „unter Fluchen und Gotteslästerung ... auseinander und sagte: ,ich ... deiner und Mutter und dessen, der dieselbe gegeben hat [?]‘ “. Als Perié vor den bereits betrunkenen Panduren flieht, wird er von Surotovié eingeholt und mit dessen „langem Gewehr mit Kolben und Schloß“ mißhandelt und wäre zum Krüppel geschlagen worden, wären ihm nicht mehrere Personen zu Hilfe geeilt. Er kann jedoch nicht verhindern, daß der Tschausch die gesamte Ein­richtung des Ladens zertrümmert. Der Schaden beträgt 159 Piaster, die Kör­perverletzung besteht in „drei Wunden auf dem linken Oberarm, herstammend vom Gewehrschloß, drei Wunden auf dem rechten Oberarm und am Rücken, drei Wunden auf dem rückwärtigen Theil der Hüften“. Perié fordert Schaden­ersatz, der Generalkonsul die Bestrafung des Pandurenführers. Ihre Bemü­hungen bleiben ohne Erfolg, weil weder Christen noch Muslim Zeugnis ab- legen: Surotovié genießt einen derartigen Ruf, daß kein türkischer Unter­tan, „theils aus Einverständnis, theils aus Furcht“, zu Gunsten des Klägers aussagen will. Die türkische Stellungnahme ist dementsprechend lakonisch: Der öster­reichische Generalkonsul besteht auf Bestrafung des Pandurenführers und des­sen Gehilfen, obwohl kein Tatzeuge auftritt und beide angeblichen Missetäter das Zeugnis der Beamten wie der mohammedanischen und der christlichen Einwohner für sich haben. Ein ähnlicher Fall, bei dem mehrere Personen als Leidtragende ihr Recht fordern, spielte sich in Prohovo ab. Wiederum ist Surotovic der Übel­täter, der den Kaiser, die Kirche und die Christen verflucht und die öster­reichischen Untertanen mit Prügeln mißhandelt und von seinen Leuten mißhandeln läßt. Und wiederum wagt kein türkischer Untertan gegen den Tschausch auszusagen, und auch der Beklagte erklärt bei der Gegen­überstellung vor dem Mudir von Livno, die Leidtragenden nie gesehen zu haben. IV Die beiden letztgenannten Fälle, die Mißhandlungen österreichischer Un­tertanen zum Gegenstand hatten, waren von den türkischen Behörden allem Anschein nach nur deshalb in den Beschwerdenkomplex aufgenom­men worden, um die Halsstarrigkeit Dembickis zu verdeutlichen: Auch in Fällen, in denen der Anklage kein Zeuge zur Verfügung stand, fühlte sich der Konsularagent berufen, die vermeintlichen Rechte seiner a*) Vgl. Bericht Wassitsch, 1860 Februar 11 (trotz schwerer Körperverlet­zung, begangen an österreichischen Schutzgenossen, ist Surotovié wieder in Freiheit): PA XXXVIII 138; Bericht Dembicki, 1861 Oktober 14 (Mißhandlung österreichischer Untertanen): ABH GKsS Alig. Akten ZI. 1069/1861.

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