Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

LAUBACH, Ernst: Karl V., Ferdinand I. und die Nachfolge im Reich

24 Ernst Laubach Ferdinand, der auf Grund seiner — einzeln aufgezählten — Qualitäten für das Amt auch bestens geeignet sei120) und von dem er keinen Miß­brauch zu seinem eigenen Schaden befürchten müsse. Natürlich enthalten die offiziellen Begründungen, in denen man unschwer mehrere Argumente wiederfindet, mit denen früher intern Ferdinand seinen Bruder bearbeitet hatte, nur solche Punkte, die Nutzen und Not­wendigkeit der Wahl Ferdinands für Reich und Kaiser plausibel erschei­nen lassen. Die Tendenz der Argumentation mindert indessen nicht die Gewichtigkeit, auch wenn Karl den Fähigkeiten des Bruders im stillen wohl mißtraute 121). Karl brauchte im Reich einen Vertreter, auf den er sich politisch einigermaßen verlassen konnte, der gegenüber den Reichs­ständen mit mehr Autorität als ein Statthalter oder das Reichsregiment auf treten und in gewissem Umfang auch selbständig handeln konnte 122). Begreiflich ist auch das Bemühen, einige unübersehbare Nachteile für die Reichsstände, die eigentlich den Argwohn der Kurfürsten erregen mußten, durch die Verheißung eines den Ständen entgegenkommenden Verhaltens zu kaschieren und die Verstärkung der habsburgischen Posi­tion zurücktreten zu lassen: Wurde Ferdinand König, so verloren die Kurfürsten von Sachsen und der Pfalz die Chance, bei längerer Abwesen­heit des Kaisers die Ausübung des Reichsvikariats zu beanspruchen 123), und für die Reichsstände entfiel die Möglichkeit, im Rahmen des Reichs­regiments oder einer vergleichbaren Institution überall mitzureden; wie zum Ausgleich wurde Ferdinands Bereitschaft betont, fleißig den Rat der Kurfürsten einzuholen. Ferner wurde auf sein bedeutendes Machtpoten­tial hingewiesen, das er wie seine Vorfahren zugunsten des Reiches ein- setzen werde. Dabei rechneten die Habsburger, daß er als König mit mehr Nachdruck Reichshilfe gegen die Türken an der ungarischen Gren­ze beanspruchen könnte. Ein weiterer Gesichtspunkt Karls scheint doch die Sorge gewesen zu sein, es könnte in Deutschland zur Wahl eines anderen Römischen Königs kom­men. Nicht nur von Ferdinand, auch aus anderen Quellen hatte man in Spanien von französischen Umtrieben bei einigen Kurfürsten erfah­12l>) Genannt werden: christliche Gesinnung, hoher Verstand, beträchtliche Macht (!), Regierungserfahrung, Geschicklichkeit, Ansehen, (Sprach-)Kennt- nisse, Verdienste in der Türkenabwehr. m) Vgl. dazu Christiane Thomas „Moderation del poder“. Zur Ent­stehung der geheimen Vollmacht für Ferdinand I. 1531 in MÖStA 27 (1974) 101 ff. 122) Die Forschung hat Karls Argumente meist akzeptiert: L.-P. Ga chard Charles-Quint in Biographie Nationale 3 (Bruxelles 1872) Sp. 582 f; Baum­garten Karl V. 3 (Stuttgart 1892) 42; Winckelmann Schmalkaldischer Bund 11, 59 f; R a s s o w Kaiseridee 83; M ü 11 e r Römische Kurie 80. 123) Diesen Aspekt betonen besonders: Friedrich Noack Die Wahl Ferdi­nands I. und die sächsische Kurstimme in Forschungen zur deutschen Geschichte 22 (1882) 657; R a s s o w Kaiseridee 83; Sutter Vorwort 131*.

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