Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

298 Richard Schober Voce cattolica scharten, waren dem Einfluß der deutschen Konservativen unmittelbar ausgesetzt. Neben der Niederlage im Großgrundbesitz beeinträchtigte die Partei vor allem der interne Streit, der durch die schon erwähnte Parteikonferenz vom 17. Jänner nicht aus der Welt geschaffen werden konnte. Weiterhin war die Auseinandersetzung zwischen der Parteiführung und Zallinger existent, die sich aber vor den Wahlen mehr hinter den Kulissen vollzog, weil man bestrebt war, durch die Gleichschaltung der konservativen Pres­se den Liberalen eine nicht vorhandene Einigkeit zu demonstrieren. Die Lebensfähigkeit der „schärferen Tonart“ bewiesen die Wahlen. Zal­linger gelang es sogar, seinen Gesinnungsgenossen Schenk, mit dem er das letzte Mal so kläglich Schiffbruch erlitten hatte, durchzudrücken, so- daß nun im Landtag zwei Vertreter der innerparteilichen Opposition sa­ßen. Die „schärfere Tonart“ hatte an Boden gewonnen und einen Rück­gang der altkonservativen Richtung erreicht. Die beiden Dissidenten be­deuteten wohl keine besondere politisch-praktische, doch eine eminente ideologische Gefahr für die Partei, denn Zallinger anerkannte die Bischöfe wegen ihres lauen Vorgehens in den ideologischen Fragen nicht mehr als politische Führer des Katholizismus und verwies sie auf ihre geistliche Berufung. Die „Scharfen“ waren zu Gegnern der Bischöfe geworden, als diese versuchten, die altkonservative Partei und die Regierung zu schüt­zen 159 *). Die Erben der schärferen Tonart, die Christlichsozialen, über­nahmen später diese Einstellung gegenüber dem Episkopat, und so wur­de diese Frage zur Grundlage des Prinzipienstreites zwischen Konser­vativen und Christlichsozialen, der sich Jahrzehnte hinzog 16°). Die glei­chen Probleme mit oppositionellen Gruppen hatten die Liberalen. Im Jahre 1889 waren neben den Landtagswahlen auch Ergänzungswahlen für den Innsbrucker Gemeinderat fällig, bei denen das erste Mal deutsch­nationale Antisemiten öffentlich in Tirol auftraten. Die Wiener Parteien­verhältnisse färbten mit Verzögerung also auch auf die Tiroler politische Szenerie ab, denn einen bodenständigen Antisemitismus konnte es in Tirol gar nicht geben; dazu lebten im Lande viel zu wenig Juden. Den Liberalen in Innsbruck erstand in den „Unverfälschten Deutschnationa­len“, wie sie sich nannten, eine radikale Richtung, die nach Schönerers Vorbild antisemitisch und extrem national gesinnt war, was dem Geiste der alten liberalen Partei widersprach. Da die Deutschnationalen nur eine relativ kleine Gruppe bildeten, verbündeten sie sich mit den „Vereinigten Christen“, die ein Konglomerat aus Anhängern Zallingers, Antiliberalen, aber auch gemäßigt klerikalen Gewerbetreibenden und Christlichsozia­len bildeten. Als diese Gruppe den Konservativen ein Bündnis anbot, 159) TLA Nachlaß Kathrein: Fürstbischof Valussi an Kathrein, 1889 Jänner 3. iso) vgl. Richard Schober Das Verhältnis der Katholisch-Konservativen zu den Christlichsozialen in Tirol bis zu den Reichsratswahlen von 1907 [Teil 1] in Tiroler Heimat 38 (1974) 139 ff.

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