Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

DIRNBERGER, Franz: „200 Jahre Burgtheater“. Auf der Suche nach einem Jubiläum

,200 Jahre Burgtheater“ 209 und ist in dieser Form — obwohl zunächst als Provisorium gedacht — heute noch üblich. Die verschiedenen Veränderungen hingen eng mit den finanziellen Mitteln zusammen. Die Hoftheater waren im 18. Jahrhundert meistens verpach­tet; auch das „Burgtheater“ begann 1741 mit einem Pächter. Die Ver­waltung der Theater unter der Patronanz des Hofes fiel in die Jahre 1752 bis 1765, 1776 (für das „Burgtheater“, 1785 für das Kärntnertortheater) bis 1794 und ab 1817 (für das „Burgtheater“; das Kärntnertortheater war noch vom Dezember 1821 bis Ende 1848 verpachtet). Die Pächter gingen meistens mit hohen Verlusten ab, nur Freiherr von Braun (1794— 1806) erzielte einigen Gewinn. Das Spiel der deutschen Schauspieler begann 1776 im „Burgtheater“ („Nationaltheater“) unter Hofüberwachung vorerst provisorisch, wie auch das deutsche Singspiel nur provisorisch 1778 einsetzte. Da beide Spiel­arten ohne Staatszuschuß positive Kassaergebnisse auswiesen, konnte 1783 die viel teurere italienische Oper wieder einsetzen. Größere staatliche Unterstützung erforderte die neuerliche Aufnahme eines Balletts (1790/91). So kam es 1794 zur abermaligen Verpachtung. 1817 entschied Kaiser Franz, nur mehr das deutsche Sprechstück und das deutsche Singspiel unter Mitwirkung eines verkleinerten Balletts vom Hof finanzieren zu lassen. Die Bevorzugung des deutschen Schauspiels geht schon in frühere Zeiten zurück; sie ist spätestens 1741 nachweisbar und hat 1763 mit der Er­werbung des Kärntnertortheaters durch den Hof sichtbare Formen ange­nommen, die 1765 bei der Verpachtung der Hoftheater vertraglich in der Gewährung des Wartgeldes für die deutschen Schauspieler fixiert wurden. In dieser Sicht ist die Fortführung des deutschen Schauspiels nach dem Zusammenbruch der Koháry’schen Pacht eine logische Folge. Ebenso be­gann die Einstudierung von Bühnenstücken nicht erst irgendwann in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts, sondern muß bei den Hof­theatern schon vor 1740 üblich gewesen sein. Die Burleske im Kärntner­tortheater muß mit der Erwerbung dieses Theaters 1763 bereits „gesittete­re“ Formen angenommen haben. 1765 forderte der Hof nicht ein „verfeiner­tes“, sondern ein einer Hofbühne würdiges Schauspiel. Die wesentliche Verbesserung gilt spätestens mit 1770 als abgeschlossen, zu welcher Zeit das deutsche Schauspiel im Kärntnertortheater als „deutsches National­theater“ nachweisbar ist. Dieses übernahm Joseph II. 1776 in das „Burg­theater“ (wie auch die Bezeichnung des Schauspielhauses 1888 mit den Schauspielern in das neue Haus am Ring übersiedelte). Das „gereinigte“ deutsche Schauspiel mußte damals den sittlichen Grundsätzen entsprechen, die für die heutige Zeit nicht mehr gültig sind, weshalb die bisherige Wer­tung der damaligen Volksstücke nicht mehr zutreffend sein kann. Doch auch das Publikum des ausgehenden 18. Jahrhunderts fand an dem „ge­reinigten“ Spiel kein Vergnügen und quittierte diese Versuche mit Absenz. Mitteilungen, Band 29 14

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