Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)
LAUBACH, Ernst: Karl V., Ferdinand I. und die Nachfolge im Reich
10 Ernst Laubach befriedigenden Erfüllung der kaiserlichen Pflichten durch Karl einen inneren Zusammenhang sah, hat Ferdinand auch mit der gedanklichen Reihenfolge angedeutet, in der er im Rahmen der Instruktion die Wahlfrage aufwarf: Unmittelbar voraus gehen längere Mitteilungen über die lutherische Lehre, die Ferdinand mit einer Mahnung an den Bruder abschließt, er möge seines Amtes, die Reinheit des Glaubens zu bewahren, eingedenk sein, damit er nicht in die Annalen der Geschichte als ein Herrscher eingehe, der trotz aller seiner Macht seine Zeit nicht von dieser aufrührerischen Sekte haben säubern können40). Einen anderen Gesichtspunkt, nämlich die Interessen des Hauses Habsburg, berührt Ferdinand mit seinen Hinweisen auf die verwickelten Verhältnisse in Ungarn und Böhmen, wo die Position ihrer Schwester Maria gefährdet sei. Für ein erfolgreiches Eingreifen sei nötig, daß er mit der Autorität des Römischen Königs auf treten könne 41). Alle in der Instruktion angesprochenen Probleme können, wenn der Kaiser nicht ständig im Reich residiert, was aber ja nicht möglich ist, eben nur dadurch gelöst werden — so Ferdinands Überzeugung —, „quod unum caput statuatur“ 42). Dann sei es aber besser — das ist seine Konsequenz aus seinen Überlegungen, die den rechten Zeitpunkt betreffen —, wenn der Kaiser, anstatt das Projekt aufzuschieben und dann vielleicht zu einer für ihn sehr ungünstigen Zeit gezwungen zu sein, wegen irgendwelcher Intrigen ins Reich eilen zu müssen, die Schritte zu seiner (Ferdinands) Königswahl einleite, solange die Situation aussichtsreich sei43). Zu der Gruppe von Argumenten, die diese These stützen sollen, gehört die Behauptung, etliche Fürsten begrüßten den Plan seiner Wahl, seien bereit, ihn nach Kräften zu fördern, und hätten schon auf dem letzten Reichstag Verhandlungen zwischen kaiserlichen Bevollmächtigten und den Kurfürsten bzw. ihrer Mehrheit erwartet. Den möglichen Einwand, Karl sei doch noch nicht vom Papst gekrönt, versucht Ferdinand durch den Hinweis zu entkräften, daß Karl ja die Zuneigung des Papstes besitze, der ihn entweder durch einen Legaten in Spanien krönen lassen könne oder, sofern der Kaiser die Reise dorthin für opportun halte, auch in Italien; ein Präzedenzfall sei mit dem Versprechen Kaiser Maximilians an die Kurfürsten, binnen sechs Monaten nach einer Wahl Karls seine eigene Krönung nachzuholen, und der Zusage des Papstes Leo X. an Maximilian, die Krönung in einem nicht zu weit von Tirol entfernten Ort vollziehen lassen zu wollen, gegeben 44). Das Problem, im Kurkolleg eine Mehrheit 40) Ebenda 159—161 mit erstaunlichen Anklängen an Karls persönliche Erklärung vor dem Wormser Reichstag zum Auftritt Luthers (in RTA 2, bearb. von Adolf W r e d e [Gotha 1896] 595 f). 41) Korr. 1 165 f, 177 f. 42) Ebenda 167. 43) Ebenda. 44) Ebenda 162. Ferdinand schreibt, ihm hätten Dokumente darüber vor-