Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger
AUER, Leopold: Archive und elektronische Datenverarbeitung
48 Leopold Auer Eine letzte Anwendungsmöglichkeit der EDV, die hier noch zu besprechen bleibt, betrifft das Bewertungsverfahren. Ein Programm in dieser Richtung, das sehr gut zur Grundlage einer maschinellen Durchführung gemacht werden könnte, ist kürzlich in der Zeitschrift Archivmitteilungen veröffentlicht worden93); seine Anwendung setzt allerdings bis ins Detail gehende Skartie- rungsrichtlinien voraus. Da selbst die in diesem Punkt am weitesten formalisierten Grundsätze der Wertermittlung für die Aufbewahrung und Kassation von Schriftgut der sozialistischen Epoche in der Deutschen Demokratischen Republik 94) nicht restlos befriedigen, wird man die Aussicht auf Erfolg einer automatisierten Bewertung eher skeptisch beurteilen95). Zusammenfassend muß man aber die sich aus der elektronischen Datenverarbeitung für die Archive ergebenden Möglichkeiten wohl als durchaus positiv ansehen96). Der Zeitaufwand bei der Verzeichnung und Erschließung könnte durch sie vor allem im Bereich der Massenakten erheblich vermindert, der Zugriff zu den Archivalien verbessert werden, was auf lange Sicht zu einer wesentlichen Verkürzung der Sucharbeit führen und den Archivaren mehr Zeit für andere Aufgaben lassen würde. Der tatsächliche Einsatz hängt aber nicht nur von den technischen Realisierungsmöglichkeiten, sondern ebensosehr von den dafür notwendigen Kosten ab. Archive, die maschinenlesbare Datenbestände verwahren, werden um eine maschinelle Ausstattung nicht herumkommen97); im deutschen Bundesarchiv in Koblenz ist dafür die Miete eines entsprechenden Geräts vorgesehen98). Die Automatisierung von Arbeitsprozessen kommt wohl nur in Zusammenarbeit mit den Rechenzentren der Universitäten oder der Verwaltung in Frage, auch die Benützung kommerzieller Systeme im sogenannten Time-sha- ring-System bietet sich an99). Trotz der dabei anfallenden Kosten für Rechenzeit und Personalaufwand kann hier bei entsprechend großen Datenmengen noch immer Geld gespart werden. Die Rentabilitätsrechnung für die maschinelle Erschließung der Korrespondenz des kanadischen Premiers Macdonald100) hat bei 100.000 verarbeiteten Einzelstücken nicht nur eine Zeitersparnis um die Hälfte, sondern auch um ein Drittel geringere Kosten als bei manueller Verzeichnung ergeben101). Die untere Rentabilitätsgrenze für den Einsatz eines Computers zu Indizierungsarbeiten hegt nach bisheri»8) Ernst Müller und Heinz Welsch Zur Programmierung des Bewertungsverfahrens in Archivmitteilungen 24 (1974) 6—10. 94) Hg. von der staatlichen Archivverwaltung (Potsdam 1965). *5) Romeyk Datenverarbeitung 188 und Hans Booms Gesellschaftsordnung und Überlieferungsbildung in AZ 68 (1972) 31 f. 96) In diesem Sinn auch Kahlenberg Ip'iformationsbankensysteme 132. 9Ü Vgl. zu dieser Frage den Abschnitt „Les équipements des archives en materiel pour le traitement des données“ bei B a u t i e r Les Archives 42—47. 98) Boberach Automatisierbarkeit 210. 99) Vgl. dazu etwa Voigt Datenverarbeitung 112 f. i»«) S. oben S. 45 f. ioi) B a u t i e r Les Archives 40 f.