Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

MECHTLER, Paul: Die Anfänge der Phototechnik im österreichischen Archivwesen

Anfänge der Phototechnik 23 und die seit 1873 angewandte Sensibilisierung der Halogensilberschichten erleichterten die Aufnahme- und Entwicklungspraxis und ermöglichten das Erkennen von auch nur geringen Farbunterschieden auf Schriften (Nachweis von Fälschungen!). Wahrscheinlich als erstes wissenschaftliches Institut er­hielt 1884 die Pariser Nationalbibliothek ein eigenes Photoatelier6). Einige Jahre später ist beim Neubau des Hauptstaatsarchivs Dresden in enger Zu­sammenarbeit mit dem dortigen Polytechnikum eine gut eingerichtete Photo­stelle geschaffen worden7). Die hiebei gesammelten Erfahrungen sind beim Neubau des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs nachweisbar verwertet worden. Im Dachgeschoß des Gebäudes am Minoritenplatz wurden entspre­chende Lokalitäten bereitgestellt; in einem sehr großen Aufnahmeraum wurde eine Schwingreproduktionskamera, die Aufnahmen bis zum Format 69 : 79 cm möglich machte, mit zwei Bogenlampen aufgestellt. Zwei Dunkel­kammern und ein Kopierraum waren nach dem damaligen Stand der techni­schen Entwicklung zweckentsprechend ausgestattet8). Der Archivar Václav Kratochvil (1861-1919) genoß an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien eine besondere fachliche Ausbildung und führte dann von 1899-1908 alle anfallenden Arbeiten praktisch allein aus. 1908 wurde ihm der Absol­vent der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt Johann Lenhard (1884—1914) beigegeben, der sich um die laufende Ausgestaltung des Photo­ateliers besondere Verdienste erwarb9). Im Jahre 1905 wurde auch in der heutigen österreichischen Nationalbiblio­thek ein eigenes Photoatelier eingerichtet, dessen Leitung ein begabter Auto­didakt innehatte10). Die langjährigen Bemühungen, auch im Institut für Ge­schichtsforschung ein Aufnahmegerät zu erwerben sowie eine eigene Dun­kelkammer zu besitzen, waren erst 1908 trotz des Widerstandes der Gebäu­deverwaltung von Erfolg gekrönt. Bereits 1889 hatte Professor Sickel den vom Ministerium vereitelten Versuch gemacht, Reisestipendien für diese Zwecke „abzuzweigen“11). Der damalige Privatdozent Hans Hirsch erlernte die Photographie, doch war die Zahl der durchgeführten Aufnahmen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg nach den Hausakten des Instituts nicht allzu groß. In diese Zeit fallen auch bereits Bestrebungen, Urkunden und Handschriften systematisch nach gewissen Gesichtspunkten photographisch aufzunehmen und an einer Zentralstelle als Grundlage für wissenschaftliche Forschungen abzulegen. Nachdem schon Anregungen in dieser Hinsicht in Deutschland 6) Erich Stenger Die Photographie in Kultur und Technik (Leipzig 1938) 143. 7) Archivalische Zeitschrift 13 (1888) 289. 8) Gustav Winter Das Neue Gebäude des k.u.k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs zu Wien (Wien 1903) 21. 9) Inventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs 1 (1936) 73-74, 80 und 137. 10) Josef Stummvoll Geschichte der Österreichischen Nationalbibliothek 1 (Wien 1968) 507, 509. ”) Lhotsky Geschichte 205 und 338.

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