Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

MIKOLETZKY, Lorenz: Archivar und Universität. Am Beispiel Franz Kürschners

256 Lorenz Mikoletzky gen, von denen eine noch benützt werden könnte, um der Sphragistik, resp. He­raldik die nöthige Aufmerksamkeit zu schenken. In einem späteren Semester, etwa dem letzten, ließe sich eine Wochenstunde mit Erfolg verwenden, um in den prakti­schen Archivdienst einzuführen. Diese Studien würden sich folgendermassen ver­theilen: I. Im Vorbereitungsjahr ... 5 Stunden Paläographie. II. Im zweiten Jahr ... 2 Stunden paläographische Übungen, 1 Stunde Heraldik. III. Im dritten Jahr, in einem Semester 1 Stunde Archivskunde. So ließe sich bei einem Zeitaufwand von 9 Stunden, die sich auf die Gesammtdauer des Instituts-Curses vertheilen, das Gebiet der Paläo­graphie nebst den einschlägigen Partien aus der Heraldik und der Archivskunde be­handeln“22). Sickel formte dann im März einen Entwurf zur Reorganisation des Instituts, wobei im geplanten, etwas modifizierten Lehrprogramm Kürschner sowohl für Paläographie (1. und 2. Semester, jeweils dreistündig), für paläographi­sche Übungen (4. Semester, zweistündig), als auch für Heraldik, Sphragistik (beide Gegenstände im 4. Semester einstündig) und Archivkunde (5. Semester einstündig) als Vortragender aufscheint. Seinen hier deutlich erkennbaren Verzicht auf weitere Abhaltung des Unterrichts in der Paläographie begrün­dete Sickel damit, daß er bisher immer genötigt gewesen sei, wegen der Pa­rallelität des Vorbereitungsjahres mit dem zweiten Hauptkursjahr zwei große Vorlesungen nebeneinander abzuhalten23). Bevor jedoch Kürschners intensive Tätigkeit am Institut begann, trat ein an­deres Ereignis ein: „Der gehorsamst Gefertigte erfüllt eine traurige Pflicht, indem er hiemit die Anzeige erstattet, daß der Archivsdirektor H. Anton Neubauer am 22. d. Mittags 12 Uhr mit Tod abgegangen ist. Bei diesem Anläße kann der Gefertigte nicht umhin, dem aufrich­tigen Bedauern Ausdruck zu geben, welches das gesammte Archivspersonale über den Verlust seines Vorstandes empfindet, der mit erprobter Sachkenntniß seines Amtes gewaltet und durch sein humanes Wesen die allgemeine Achtung und Liebe sich er­worben hat“ (23. Oktober 1873)24). Schon während der Krankheit Neubauers und vollends nach dessen Ableben war Kürschner mit der Leitung des Archivs betraut, zu dessen Direktor er mit Dekret vom 11. Juli 1874 ernannt wurde. Erstmals bekleidete somit ein absolviertes Mitglied des Instituts für österreichische Geschichtsforschung den Posten eines Archivdirektors des Reichs-Finanz-Archivs. In einem Schreiben an seine Vorgesetzte Stelle legte der neue Direktor die Forderungen dar, die an einen Beamten im Archiv gestellt werden müssen. Es heißt da unter anderem: „Der Archivsdienst als solcher im Allgemeinen und speciell im h. o. Archive erfordert genaue Vertrautheit mit dem Kanzlei- und Aktenwesen der vergangenen Jahrhunderte 22) Institutsakten, Circulandum 1874 Jänner 12; HKA Kürschner fol. 85; vgl. Lhotsky Institut 129. 23) Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien Ministerium für Cultus und Unterricht 4252/1874 fol. 6vff (künftig: AVA Cultus); Lhotsky Institut 130. - Dem Direktor des Allgemeinen Verwaltungsarchivs, wirkl. Hofrat Dr. Peter Gasser, sei an dieser Stelle für wertvolle Auskünfte allerherzlichst gedankt. 24) HKA Archivverhandlungen 924/1873 fol. 1.

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