Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

MIKOLETZKY, Lorenz: Archivar und Universität. Am Beispiel Franz Kürschners

Franz Kürschner 251 gut, zum Teil sehr gut“6). Damit endete die erste Berührungsphase Franz Kürschners mit der Universität; obwohl im Staatsprüfungszeugnis speziell zur Anstellung in Archiven empfohlen, blieb er im Schuldienst und unter­richtete in Eger, betreute jedoch nebenbei auch das Archiv der Stadt. Mit großem Eifer widmete sich der junge Doktor der ihm über Empfehlung Sickels vom Bürgerausschuß der Stadt übertragenen Aufgabe und empfing aus dieser Betätigung die Anregung zu mancher seiner Publikationen, die auch heute noch brauchbar und wichtig sind. Vor allem sein 1870 mit Unter­stützung der Akademie der Wissenschaften in Wien selbständig erschienenes Werk Eger und Böhmen. Die staatsrechtlichen Verhältnisse in ihrer histori­schen Entwicklung (VI, 206 S. und Beilagen I-XXVII) konnte sich auf seine damaligen Forschungen stützen. Aber nicht einseitig auf das Archiv von Eger blieb der Verfasser in seinen Auswertungen beschränkt, auch die Wiener Ar­chive zog er heran, sodaß er mit Recht im Vorwort von einem „Gesamtbild“ sprechen kann, das durch einen Urkundenanhang vollendet wird. Auch seine weiteren größeren Arbeiten, die sämtlich im Archiv für österreichische Ge­schichte veröffentlicht wurden, beschäftigen sich mit Eger: Einlösung des Herzogthums Troppau durch Wladislaw II., König von Böhmen und Ungarn, 1507-1511. Nach archivalischen, bisher unbekannten Quellen (Band 37 [1867] 147-204); Jobst von Einsiedel und seine Correspondenz mit der Stadt Eger. Aus dem Archive der Stadt Eger (39 [1868] 245-292). Das Archiv der Stadt Eger. Ein Bericht (41 [1869] 313-351) bietet eine genaue Übersicht der von Kürschner geleisteten Ordnungsarbeiten7). Alle diese Einzeluntersuchungen sind heute noch brauchbar und unentbehrlich für den Forscher, der sich mit der Zeit Georg von Podiebrads oder der frühen Geschichte Mährens beschäf­tigt. Als das ureigenste Werk des Archivars, der sichtlich immer in Kürsch­ner schlummerte, kann seine Archivübersicht, ein Inventar im Kleinen, angesehen werden. Während bei den anderen Arbeiten der Historiker die Oberhand behielt, kommt hier der für den Historiker vorbereitetende Archi­var in Kürschner ans Licht. Aber immer noch blieb er in erster Linie Lehrer. 1868 kam er an das Troppauer Gymnasium als wirklicher Lehrer „extra sta­tum“, an die Schule, an der er einmal maturiert hatte. Ein Jahr später bricht sein wahres Interesse durch. Kürschner bewirbt sich um eine erledigte Archivsadjunktenstelle im Reichs­finanzministerium. Der Antrag, ihm diese Stelle nach entsprechendem Ansu­chen zu verleihen, ging vom Ministerium selbst aus, nachdem sich der Reichsfinanzminister beim Reichsratsabgeordneten und Bürgermeister von Troppau Carl Wilhelm Dietrich über die Person Kürschners informiert hatte. Dies teilte der Bürgermeister in einem Schreiben (April 1869) mit und er­wähnte ferner das in Aussicht stehende Gehalt von zirka 1200 Gulden sowie die Anwartschaft auf den Direktorsposten mit 2000 Gulden. Ferner mahnte 6) Institutsakten, Prüfungsprotokoll vom 22. Juli 1865; Lhotsky Institut 104. 7) Vgl. HKA Kürschner fol. 127f; Lhotsky Institut 101.

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