Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

DIRNBERGER, Franz: Theatergeschichte und Theaterlegende. Bemerkungen zum Schriftgut der Theaterverwaltung

224 Franz Dimberger Freikarten, als Ausgleich für die vor allem in der Zeit Maria Theresias noch ungewöhnlich häufigen sogenannten Normatage, an denen kein Theater ge­spielt werden durfte, schließlich für den Verdienstentgang, wenn die Hofthe­ater wegen des Ablebens eines Mitgliedes der kaiserlichen Familie oder des Sterbegedächtnistages geschlossen bleiben mußten, war es notwendig, die Hoftheaterpächter wenigstens teilweise zu entschädigen. Dies geschah durch das ausschließliche Theater- und Redoutenprivileg und durch die Verleihung des Rechtes der Tierhetze, einer sehr beliebten und daher sehr gut besuchten Volksbelustigung. Wer daneben doch noch Theater spielen oder Redouten abhalten wollte, mußte sich gegen einen Obulus die Berechtigung beim je­weiligen Hoftheaterpächter erkaufen, vorausgesetzt, daß sich jemand um diese Rechte kümmerte; denn aus der Zeit des Freiherrn von Braun, dem wie früher diese Privilegien zugesichert waren, gibt es zahlreiche Klagen über Truppen und Wanderbühnen, die frei darauflos spielten und regen Zustrom erhielten. Dem Freiherrn von Braun nützte auch kein Protest gegen den Bau des Theaters an der Wien. Gegen unerbetene Konkurrenz half nur, die besse­ren Schauspieler abzuwerben oder, wie im Falle des Theaters an der Wien, das Theater gleich ganz zu erstehen. Darum sollte die Spektakelfreiheit nicht überinterpretiert und zwischen 1776 und den Jahren der Erbauung des Leo­pold- und Josephstädter Theaters nicht unbedingt ein unmittelbarer Zusam­menhang konstruiert werden. Wo sind also die neuen, epochalen, die Zeiten überdauernden Veränderungen des Jahres 1776, welche die Grundlage des kommenden Jubiläums bilden werden? All diese großartigen, als Zäsur gewürdigten Leistungen erscheinen höchstens als ein zusammengeschrumpfter Reformversuch im Verhältnis zu den Veränderungen, die 1748 und 1754 stattgefunden haben, eine — wie ein Textvergleich zwischen den Erlässen Maria Theresias und Josephs klar zeigt- Anknüpfung und Fortführung dessen, was die Wunden des Erbfolgekrieges, dann die Vorbereitungen zur Rückgewinnung Schlesiens und der neuerliche (Siebenjährige) Krieg, zuletzt der Tod des Gemahls Franz Stephan vereitel­ten. Ob Maria Theresia ihrem Sohne die Hoftheaterangelegenheiten überließ, um ihn von den politischen Plänen abzulenken, ob sie im Hintergrund ihre Hand im Spiele hatte - wissen mußte sie jedenfalls um die Veränderungen, wie das Handbillett vom 25. April 1776 zeigt, denn ihr war ja die endgültige Entscheidung Vorbehalten —, das müßte noch eine diffizile Untersuchung er­weisen. Die Geschichte des Wiener Burgtheaters, dessen Personal 1888 vom Gebäude nächst der Burg in das neue Haus am Ring gezogen ist, mit 1776 beginnen zu lassen, zu jener Zeit also, in der das Personal in kaum anderer Weise vom Theater beim Kärntnertor in das bei der Burg übersiedelt ist, be­deutet, mutwillig einen Einschnitt in ein Gesamtgefüge vorzunehmen. (Man unterbricht damit einen Entwicklungsgang gewaltsam, wie dies ähnlich ja mit der Periodisierung in Direktionsepochen im kleineren Ausmaß geschieht,- ohne daß man dabei bedenkt, daß die nachfolgende Direktion gezwungen ist, vorerst das Programm der vorhergehenden weiterzuführen und sich mit

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