Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

DIRNBERGER, Franz: Theatergeschichte und Theaterlegende. Bemerkungen zum Schriftgut der Theaterverwaltung

Theatergeschichte und Theaterlegende 219 geführt werden kann, erlebte 1822 für das Burgtheater eine Neuauflage. Die Einschränkung des Geltungsbereiches war möglich, da das Kärntnertorthe­ater 1822 neuerdings und nicht zum letzten Mal verpachtet wurde und der Herrscher das Burgtheater ob der räumlichen Nähe zur Hofburg vorzugs­weise besuchte. In der francisco-josephinischen Zeit scheint man auf die Einhaltung der Theaterordnung weniger Wert gelegt zu haben20). So geriet sie im Kärntnertortheater (Operntheater) in Vergessenheit, während im Burg­theater die tradierten Relikte im Laufe der Zeit ausgeschmückt wurden. Im Hinblick auf das Burgtheaterjubiläum ist es aktuell, den Anfängen dieses Theaters nachzugehen, dessen Vergangenheit in Dokumentationen, Büchern und Filmen anschaulich dargestellt wird. Es ist gewiß nicht sehr leicht, Do­kumente zu den Ereignissen von 1776 zusammenzubringen, da ja, wie er­wähnt, das alte Theaterarchiv verschollen ist. Umso erklärlicher ist es, daß die Ereignisse selbst mit einem dichten Schleier legendenhafter Darstellun­gen umhüllt sind, sodaß man schwer zur wahren Theatergeschichte dieser Zeit Vordringen kann. Alle Darstellungen der josephinischen Theaterepoche beruhen nämlich in der Hauptsache auf Johann Heinrich Friedrich Müllers Abschied und Theatererinnerungen21), und niemand bedenkt, in welcher Si­tuation sich Müller um 1802/3, den Erscheinungsjahren seiner Bücher, be­fand. Er gehörte zu jenen, die 1794 heftig gegen die abermalige Verpachtung der Hoftheater an Peter Freiherrn von Braun protestierten; da der Protest nichts nützte, wollte Müller unter Hinweis auf seine Kränklichkeit und seine 32 bereits geleisteten Dienstjahre Anfang 1795 pensioniert werden22). 180123) reichte er neuerlich ein Pensionsgesuch ein, doch der Kaiser wollte seine Zu­stimmung nur geben, wenn der Hoftheaterpächter die Pension auf sich näh­me, was Braun nicht tat, - die Gewährung einer Gnadenpension im Hinblick auf noch zwei fehlende Dienstjahre auf 40 wies der Kaiser von sich, obwohl schon andere Hofschauspieler mit weniger Dienstjahren mit vollen Bezügen 20) Nichtsdestoweniger erschienen im Jahre 1908 (Generalintendanz 1030) neue Ordnungsvorschriften für die Mitglieder des k. k. Hof-Operntheaters, die auf den alten Hoftheatergesetzen aufbauen. Hier lautet der entsprechende Paragraph (§ 27): „Um die Gesamtwirkung eines Kunstwerkes nicht zu beeinträchtigen und dessen Zusam­menhang nicht zu stören, ist es den Opernmitgliedern untersagt, auf Verlangen des Publikums irgend ein Musikstück zu wiederholen, bei offener Szene sich zu verbeugen, Kränze oder Blumen aufzunehmen usw. . . . Nur wenn der Vorhang gefallen, ist es er­laubt, dem Hervorrufen Folge zu geben .. 21) Abschied von der k. k. Hof- und National-Schaubühne mit einer kurzen Biogra­phie seines Lebens und einer gedrängten Geschichte des hiesigen Hoftheaters (Wien 1802); Theatererinnerungen eines alten Burgschauspielers. Hg. von Richard Daunicht (Berlin 1958). Zu vergleichen wären das 1772/3 in Wien erschienene Buch Genauere Nachrichten von beiden k. k. Schaubühnen und anderen öffentlichen Ergötzlichkeiten in Wien bzw. Genaue Nachrichten von den beiden k. k. Schaubühnen in Wien und den vorzüglichsten Theatern in den übrigen k. k. Erblanden und das 1776 ebenfalls in Wien herausgegebene Buch Geschichte und Tagebuch der Wiener Schaubühne. 22) Generalintendanz 117 ex 1795. 23) Generalintendanz 203 ex 1801.

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